Videonale 16

Videonale 16


Noemi Smolik über die Videonale 16 – Festival für Video und zeitbasierte Kunstformen, c/o Kunstmuseum Bonn, 17.2. – 2.4.

Man geht ein Riskio ein, wenn man für die Bewerbung zur Videonale 16 das Thema Perform! angibt. Dann drohen nämlich, überwiegend Videoaufnahmen von Performances eingereicht zu werden, die kaum über das Medium Video reflektieren. Die diesjährige Videonale ist dieses Risiko eingegangen und tatsächlich erschöpfen sich auch viele Arbeiten in der bloßen Aufzeichnung performativer Handlungen. Zwar ist die Performance heute eine angesagte Kunstform: Kaum eine Ausstellung, die nicht auch von einem performativen Auftritt begleitet ist. Aber gerade umso dringlicher gilt es, zu klären, was eine Performance heute ist und sein kann. Und im Falle der Videonale: In welchem Verhältnis das Video zur Performance steht. Einige Einreichungen jedoch haben sich diesen Fragen gestellt.

Eröffnung Kunstmuseum Bonn

Mit einer thematischen Vorgabe waren die Organisatoren der alle zwei Jahr in Bonn stattfindenden Videonale unter der künstlerischen Leitung von Tasja Langenbach bemüht, die Zahl der Einsendungen einzuschränken. Trotzdem erreichten das Team an die 2.300 Arbeiten aus 84 Ländern, von denen die Jury aus Künstlern und Kuratoren 43 Arbeiten auswählte. Ruth M. Lorenz von maaskant Berlin betreute die gelungene Architektur für die Ausstellung, die auch zahlreiche Videoinstallationen umfasst. Sie verteilt die einzelnen Projektionen in den Räumen, trennt sie durch silberne Vorhänge und stellt einfache Hocker zum Hinsetzen bereit. Das wirkt luftig, leicht ohne die lähmende, dunkle Schwere, die die Präsentation von Videoarbeiten oft begleitet.

Eröffnung Kunstmuseum Bonn

Die ersten künstlerischen Videos aus den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts – man denkt an die Videos von Bruce Nauman oder Vito Acconci – beschäftigten sich mit dem eigenen Körper. Dabei ging es um eine ungeschminkte, unverstellte, authentische Erfahrung des eigenen Körpers. Mehr als 50 Jahre später ist der Körper in den Videos immer noch ein Thema. Allerdings wird der Körper geschminkt, maskiert, verstellt, stilisiert und das im Namen von Gender- und Identitätsfragen. Nicht Authentizität ist gefragt, sondern Performance à la Ryan Trecartin. Sein Einfluss ist unverkennbar in Vika Kirchenbauers 3D Videoinstallation YOU ARE BORING! (2015).

Teboho Edkins, Initiation, 2016 (Still)

Auch kulturelle Identität ist ein großes Thema dieser Videonale. Der in den USA geborene Teboho Edkins setzt sich in seiner Video Initiation von 2016 mit einem in den Bergen Lesothos praktizierten Männlichkeitsritual auseinander. Menschen in Trachten mit archaischer Ausstrahlung in einer atemberaubenden Landschaft sind zu sehen. Reflektierter ist das Video The Lightest of Stones von der in Iran geborenen, heute in New York und Teheran lebenden Künstlerin Shadi Harouni von 2015. Die Künstlerin selbst ist zu sehen, wie sie mit dem Rücken zur Kamera mit bloßer Hand Steine aus einem Steinbruch kratzt. Davor unterhalten sich fünf traditionell gekleidete Männer auf Kurdisch und Farsi: „Macht sie es für Geld?“ „Nein, für Kunst macht sie es.“ Zwei völlig unterschiedliche Welten treffen hier aufeinander, eine Verständigung scheint kaum möglich zu sein.

Shadi Harouni, The Lightest of Stones, 2015 (Still)

Erstaunlich wenige Arbeiten befragen die Folgen des immer dichter werdenden Durchdringens unserer Gesellschaft durch das Medium Video, sei es als Überwachungs- oder Handyvideo. Eine Ausnahme bildet der in England geborene, in Lissabon lebende Louis Henderson mit seiner Videoarbeit Black Code/Code Noir von 2015. Ausgehend von dem Tod der Afroamerikaner Kajieme Powell und Michael Brown, die 2014 von Polizeibeamten erschossen wurden, geht er in technisch raffinierten Bildern der Verknüpfung des Einsatzes von neuen Überwachungstechnologien und dem Rassismus gegen Afroamerikaner bei der US-amerikanischen Polizei nach.

In dem aufwendigen Video Freeroam À Rebours von 2016 konfrontiert Stefan Panhans den Betrachter mit der virtuellen Welt der Avatare. Von professionellen Tänzern und Schauspielern lässt er computergenerierte Szene nachstellen, in denen die algorithmischen Bewegungsmustern der künstlich generierten Menschen an den Fehlern der realen Menschen scheitern. So steigen reale Körper mit dem Kopf nach unten die Treppen ab, fallen aus dem Auto oder liegen auf dem Boden, um erfolglos immer wieder aufstehen zu wollen. Es sind absurde Bewegungen, Stellungen und Verdrehungen des Körpers, die die Frage provozieren, wie weit diese künstlich erzeugten Bewegungsabläufe Einfluss auf die Wahrnehmung und die Bewegungsmuster unseres eigenen Körpers haben.

Stefan Panhans, Freeroam À Rebours, 2016 (Still)

Mit Humor geht die englische Künstlerin Lucy Pawlak dem Verschmelzen virtueller und realer Welten in ihrem Video Arriving without Leaving (Guaranted Happy Ending) von 2013 nach. Auf einem mehrstufigen Podest richtet sie eine Sitzecke mit Kissen ein, auf die oberste Stufe stellt sie einen Monitor der eine verfremdete, völlig virtuelle Welt zeigt. Die Aufforderung des Videos an den Betrachter, sich mit verschiedenen auf dem Podest liegenden Dingen, wie beispielsweise Würfelzucker auszustatten, führt zu einer verwirrenden Vermischung zwischen Handlung und Betrachter.

Lucy Pawlak, Arriving without Leaving (Guaranted Happy Ending) 2013 (Still)

Die Komplexität der Problematik von Video und Performance bringt die in Köln lebende Künstlerin Julia Scher mit lip sync 2015 von 2016 auf den Punkt. In einem gewollt dilettantisch wirkenden Playback performt sie zu dem Lied Wrecking Ball von Miley Cyrus. Am Anfang genießt sie es sichtlich, sich vor der Kamera wie ein Teenager zu produzieren. Dann aber beginnt sie ängstlich zu wirken, sie flieht vor der Kamera, die sie immer dichter verfolgt, die Angst steigert sich zur Hysterie – es gibt scheinbar kein Entrinnen von der Linse der Kamera. Es ist eine der eindringlichsten Arbeiten der Ausstellung, denn sie thematisiert nicht nur das Geschehen vor, sondern auch den Beobachter hinter der Kamera.


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