Jürgen Teller

Jürgen Teller


Bettina Haiss über Jürgen Teller „Enjoy Your Life“ in der Bundeskunsthalle Bonn, bis 25.9.16

Enjoy Your Life! – diesen lapidar lebensbejahenden Aufruf hat Jürgen Teller seiner in Bonn laufenden Ausstellung als Titel beigegeben. So eingängig die Botschaft, so unverstellt behaupten sich die dort präsentierten Bilder.
Der Eingangsbereich der Bundeskunsthalle steht im Zeichen des Fußballs, ein von Teller – nicht nur aus aktuellem Anlass – immer wieder gern aufgegriffenes Thema, das verschiedene Lebensbereiche des 1964 in Erlangen geborenen Fotografen einnimmt. Auf einer wandfüllenden Fototapete reihen sich in dichter Abfolge Momentaufnahmen, die während der Fußball WM 2014 im Kreise seiner im Pub versammelten Familie entstanden sind (Siegerflieger, 2014). Die schnellen Schnappschüsse der Personen, die gebannt das Geschehen im Bildschirm verfolgen, spiegeln wie filmische Standbilder den dramatischen Spielverlauf, der an sämtlichen bangen und begeisterten Gemütsregungen ablesbar wird. Im Mittelpunkt steht Tellers Sohn Ed, der ebenso wie sein Vater die ganze emotionale Bandbreite eines leidenschaftlichen Fußballfans mit ausgeprägter Mimik und Gestik verkörpert.

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Juergen Teller, FC Bayern Munich No.17, China 2015 © Juergen Teller

Dem Menschlichen ist Jürgen Teller, der seit seinen Anfängen als Modefotograf in den 1990er Jahren immer bestrebt war, die Persönlichkeit der Sujets anschaulich zu machen, zutiefst verpflichtet. Mit seinem einfühlsamen Portrait der damaligen Newcomer-Band Nirvana erlangte er 1991 Weltruhm, gerade weil er das ungeschönt Authentische einzufangen vermochte. Teller, dessen oft improvisiert anmutende Bildästhetik vom Fernsehen beeinflusst ist, interessiert nicht die Wiedergabe eines perfekten Images. Stattdessen sucht er aus der Intimität des Augenblicks heraus das Individuum zu erfassen. Nacktheit, oft auch die Eigene, erweist sich dabei oft als unmittelbarster Zugang zum Wesen, denn jedes Kleidungsstück sei ein Statement und damit Verkleidung. So scheut sich Teller nicht, selbst die Hüllen fallen zu lassen, um die Distanz zwischen sich und den Idolen der Popkultur aufzuheben.

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Juergen Teller, Plates/Teller, No.18, 2016 © Juergen Teller

In den Fotografien der jüngsten Serie Plates (2016) betreibt Teller eine Art humorvolle Selbstreflexion und nimmt Strategien medialer Verwertung und Vervielfältigung spielerisch in die Inszenierung auf. Teller zitiert, kopiert und reproduziert seine Fotos auf neuen Fotos sowie auf banalen Bildträgern. Es erscheinen die weltbekannten Foto-Highlights trivialisiert auf T-Shirts oder Teller, wie billige Artikel aus dem Souvenir- oder Fanartikel-Shop. Durch ihren Einsatz als Requisiten wird ihr ikonischer Wert mitunter ironisiert. Man erkennt das berühmte Foto von Björk mit ihrem Sohn, allerdings etwas verblichen auf dem verwaschenem Baumwollstoff der Oberbekleidung von Modedesigner Raf Simons, der – gleichsam als zusätzliche „Trophäe“ – eine Papierkrone von Burger King trägt. Auch ein gewebter Teppich mit einem Motiv der nackten, zurückgelehnten Vivienne Westwood wird zum bildbestimmenden Ausstattungsgegenstand, auf dem sich Andreas Kronthaler (Lebensgefährte der Modedesignerin) nackt räkelt, einen weißen Porzellanteller in den Händen haltend.

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Juergen Teller, Plates/Teller, No.170, 2016 © Juergen Teller

Hemmungslos konsumiert und kombiniert Jürgen Teller Motive aus seinem Schaffen der vergangenen Jahrzehnte. Aus dem Nebeneinander von Personen und Portraits, Akteuren und Accessoires entstehen bisweilen komische Paarungen, etwa wenn das unbekleidete Model Lili Sumner hockend eine 3-D Figur Modell „Jürgen Teller mit rosa Beanie-Mütze“ wie einen Teddybär kindlich umarmt. Dieses handliche Teller-Doppel begleitet auch andere Protagonisten, die es aus der Aktentasche ziehen und aufstellen oder als Dildo-Ersatz zwischen die Beine platzieren. Der Schauspieler Lars Eidinger posiert traumtänzerisch in einer fleischfarbenen Nylonstrumpfhose auf einem überdimensionierten Porzellanteller, auf dem das Gesicht von Jürgen Teller mit einem Rehkitz abgebildet ist.
Neben solchen Bild-im-Bild Interaktionen sind auch Sequenzen anzutreffen in denen Jürgen Teller Rollen und Klischees konterkariert und in ein groteskes Zusammenspiel bringt.

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Juergen Teller, Kanye, Juergen & Kim, DPS No.25, Chateau d’Ambleville 2015 © Juergen Teller

In dem Video Schmetterling (2005) agiert Jürgen Teller mit der Schauspielerin Charlotte Rampling vor der Kamera. Splitternackt liegt er wie ein großes Baby rücklings und mit gespreizten Pobacken auf dem geschlossenen Flügel, während die große Schauspielerin im eleganten Abendkleid selbstvergessen eine Melodie spielt. Teller bekennt sich zur clownesken (Selbst-)Darstellung als lächerlicher Gegenpart zum glamourösen Filmstar.
Besonders augenfällig und amüsant fällt der Kontrast zwischen Star und Witzfigur in der Serie aus, die mit Kim Kardashian entstand (Kanye, Juergen and Kim, 2015). Kardashian und deren Markenzeichen, ein extrem voluminöser Hintern, wird auch von Jürgen Teller gekonnt in Szene gesetzt, allerdings nicht ohne Gespür für Situationskomik. In einer Art paralleler Handlung besteigt die perfekt geschminkte Reality-TV Queen etwas beschwerlich auf schwarzen High Heels einen Geröllhaufen, während Teller ungezwungen wandernd die Landschaft erkundet, auf Bäume klettert, Bäche durchquert. Aufnahmen einer gewohnt aufreizend posierenden Kardashian, deren ausladende Kurven in dem fleischfarbenen Einteiler einbetoniert erscheinen (das Styling hat ihr Ehemann Kanye West veranlasst), sind im Wechsel mit Fotografien präsentiert, auf denen die tapsige Gestalt von Jürgen Teller, in einem roten Anorak, Turnschuhen und Shorts, ausgefranster blauer Strickmütze auf dem Kopf und Wanderstab in der Hand zu sehen ist. Während die Stars in den Zwängen ihres Idealbildes verharren, hat der Narr alle Freiheiten.

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Juergen Teller, Eliza Douglas and Anne Imhof, No.1, Paris 2016 © Juergen Teller

Und diese ungebändigte Freiheit, die keinen Unterschied kennt zwischen High und Low, Professionell und Privat, ist die große Stärke von Jürgen Teller, für den «Alles im weitesten Sinne eine Art Selbstportrait» ist. «Es ist einfach die Art, wie Du die Dinge siehst, und wie gewisse Dinge Dich neugierig machen und Dich einfach mitreißen.»
Teller parodiert lustvoll seine eigene Popularität, in dem er unbekümmert aus seinem Bildarchiv schöpft, aber auch den eigenen Namen als doppeldeutiges Wortspiel im Titelzusatz „Mit dem Teller nach Bonn“ einbringt. Die Zusammenführung des international renommierten Künstlers „Teller“ mit dem profanen Essgeschirr wird bildhaft karikiert, wie auf dem Cover des Ausstellungskataloges, wenn Jürgen Teller im weißen Frotteemantel mühsam einen schweren Stapel weißer Porzellanteller vor sich her trägt. Folglich stehen im Ausstellungsraum unbedruckte Speiseteller als ultimative -leere- Stellvertreter, aufgetürmt auf dem Boden.

Artikelbild: Juergen Teller Mit dem Teller nach Bonn Serie, 2016 © Juergen Teller


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