freshtest

freshtest


Sabine Elsa Müller über freshtest 5.0 im Kunstverein Koelnberg, Köln, 10. – 26.05.2019
Mit Clem Crosby, Barbara Dörffler, Esther Fritz, Shila Khatami, Eva Kollischan, Bärbel Messmann, Klaus Schmitt, Martin Streit, Sabine Tress, Winfried Virnich

freshtest – unter diesem Titel präsentiert Friedhelm Falke seit 2015 in regelmäßiger Folge Malereiausstellungen im Koelnberg-Kunstverein in der Aachener Straße. Der Kölner Maler will einen Eindruck davon geben, was tatsächlich passiert in punkto Malerei, hier und heute, indem er jeweils etwa 10 Positionen in eigenwilligen Gegenüberstellungen zum Dialog herausfordert. Bei der 5. Ausgabe wurde die kuratorische Verantwortung erstmals in die Hände anderer gelegt. Christine Reifenberger und Michael Jäger, beide bereits bei freshtest 4.1 bzw. 4.2 vertreten, haben sich die Aufgabe geteilt und unter den von ihnen eingeladenen Kolleg*innen eine gezielte Auswahl an Einzelwerken getroffen. Ganz offensichtlich spielte die eigene Auseinandersetzung mit dem Thema Malerei und Raum dabei eine tragende Rolle. In der Gesamtorchestrierung der Exponate in dem eher nüchternen Ausstellungsraum ist es genau diese Fähigkeit zur punktgenauen Intonation, die Bewegung in den Raum und die Werke miteinander in Beziehung bringt.

Ausstellungsansicht freshtest: vorne Klaus Schmitt, Kreuz, Holz, PVC, ca. 250 x 220 x 220cm, 2019, Skulpturale Installation

Keinen kleinen Anteil an dieser beschwingten Dynamik hat die skulpturale Arbeit von Klaus Schmitt. Von Haus aus Bildhauer, fand er in der Aquarellmalerei zunächst einen Rückzugsort, aus dem heraus er in der installativen Praxis eine fluktuierende Verbindung zwischen Zwei- und Dreidimensionalität entwickelte. In seinen gerüstartigen, luftigen Konstruktionen löst sich das Bild von der Wand und expandiert in den Raum. Weiße, manchmal auch mit leuchtender Aquarellfarbe bemalte Papierflächen schieben sich buchstäblich in die dritte Dimension. Im Koelnberg positioniert Klaus Schmitt an dem einzigen, mittig platzierten Raumpfeiler ein deckenhohes Drehkreuz, das mit seinen auskragenden Flügeln die Werke an den Wänden in eine kreisende Bewegung mitnimmt. Sie streift wie ein leiser Luftzug an Clem Grosbys „Voices from the Mailbox“ vorbei, lässt dessen elastisch ineinander verschlungene Netzwerk-Oberfläche unmerklich erzittern, und erfasst als nächstes Winfried Virnichs „Dancing King“, gibt ihm Leben, Atem und Ausdehnung. Der bewegte Impuls ist die Voraussetzung für Virnichs gestischen Subjektivismus, den er soweit verfeinert hat, dass er mit einem Minimum an Kraft- und Materialaufwand ein Maximum an Lebendigkeit herausholt.

Ausstellungsansicht freshtest: links Winfried Virnich, rechts Clem Crosby

Gleich daneben eine Position, die gegensätzlicher kaum sein könnte. Barbara Dörffler ist für ihre Fotoarbeiten bekannt und reüssiert mit neuen, noch wenig gezeigten Arbeiten in Kohle und Kreide auf Papier. Hier wie dort moduliert das Licht die Bildfläche. In ihr öffnen sich nur angedeutete, gerade in ihrer suggestiven Unbestimmbarkeit den Blick sogartig in sich hineinziehende Räume. Wie Dörfflers im Fotolabor entwickelten Schwarzweißabzüge weisen sie einen so hohen Grad sinnlicher Stofflichkeit aus, dass sie von Malerei schlicht nicht zu unterscheiden sind. Zeichnung, Fotografie, Malerei – bei Barbara Dörffler sind die Gattungsgrenzen aufgehoben. Aber auch die herkömmlichen Kategorien von Zeit scheinen nicht mehr zu greifen. In den mit dem bezeichnenden Titel „Für Morton Feldman“ benannten Papierarbeiten dehnt sich der Raum in der Stille aus. Auch die benachbarten Arbeiten von Martin Streit haben einen starken zeitlichen Aspekt, der allerdings eng mit dem Gedanken der Vergänglichkeit verbunden ist. Der Maler arbeitet ebenfalls mit Fotografie auf einem Niveau, das die Grenzen zur Malerei nivelliert. Das Licht wird hier zum lebensspendenden Medium an sich, da es die Phänomene erst sichtbar macht. Während sich in seinen kleinen Stillleben in Öl auf Leinwand die Gegenstände fast im Licht malerisch auflösen, basieren seine Fotoarbeiten tatsächlich auf unscharfen Fotografien, die mittels einer Camera Obscura entstanden sind und anschließend digital bearbeitet wurden. In den Aufnahmen von zufälligen Passanten korreliert die Bewegungsunschärfe mit der aufnahmetechnisch bedingten Weichzeichnung. Die Figur wird in der Bewegung eingefroren und wie in einem letzten Aufleuchten vor dem Erlöschen festgehalten.

Ausstellungsansicht freshtest: links Ester Fritz, rechts Barbara Dörffler

Wie Martin Streit geht es auch Esther Fritz um nichts weniger als Stillstand. Es ist diese Art von Ruhe und Intensität, die nur durch die Anerkennung des permanenten Lebensflusses zu bekommen ist. Man sieht sie in einer Videoprojektion, wie sie eine Stunde lang vollkommen bewegungslos auf einem Hügel im Wind steht. Wären da nicht die vorbeiziehenden Wolken, es wäre kein Unterschied zu einem Videostill auszumachen, so unerschütterlich und statuarisch fest erscheint die Person. Mit dem umwerfenden Titel „Wie die Liebe in die Knochen kommt“ rührt diese Performance tief an die Substanz des Humanen. Sie bildet, vom Hauptausstellungsraum aus nicht einsehbar, eine kontemplative Zäsur im Rundgang. Desto aktiver und raumfordernder schicken die an der Kopfwand des Ausstellungsraumes positionierten Leinwände von Sabine Tress ihre Energien in die Ausstellung. In dieser kraftvollen Malerei ist die Pinselführung sehr präsent. Dadurch schreiben sich die handelnde Person, die Malerin, ihr körperlicher Gestus, ihr Rhythmus, die gesamte Physis in das Bild ein und fordern das physische Gegenüber heraus. Die Farben sind die Stimulanz der Sinne und verlangen die ganze Aufmerksamkeit: Sie können pastos oder in wässrigen Schlieren, deckend, transparent, in Acryl oder Öl gemalt sein, stoßen aneinander, fallen übereinander her oder überlappen sich. Offenbar können sie sich auch in einzelne Leinwände aufsplittern, wie die Präsentation in der Ausstellung nahelegt. Mit locker und in großzügigen Schlaufen auf zwei Großformate gesetzten Pinselschwüngen nimmt Sabine Tress die Bewegungen aus dem Raum auf und lädt sie auf wie Batterien, bevor sie wieder in den Raum zurückfließen.

Ausstellungsansicht freshtest: Bärbel Messmann

Ausstellungsansicht freshtest: von links nach rechts Virnich, Khatami, Tress, Schmitt

Im Vergleich dazu ist die Malerei auf den für Shila Khatami typischen Hartfaserplatten kühl und konzeptuell, verbindet sich aber durch Materialität und die Zwitterstellung zwischen Malerei, Objekt und Installation wunderbar mit Positionen wie der von Klaus Schmitt. Auch Eva Kollischan arbeitet installativ. Sie setzt eine bemalte Leinwand auf einen stark vergrößerten Inkjetprint von einer Holzkonstruktion. Die Flachheit des Prints steht im Gegensatz zur expressiven, verwirrenden Raumausdehnung der darauf abgebildeten Darstellung, während die Objekthaftigkeit der Leinwand und das auf ihr gemalte Bild weitere Ebenen einbringen. Bild- und Raumhaltigkeit treten innerhalb der einzelnen Arbeit wie zwischen Fotografie und Malerei und schließlich zwischen der Installation und dem Raum in Konkurrenz zueinander. Die zur Orientierung nötigen Raumdimensionen und Größenverhältnisse werden auf den Kopf gestellt. Überlagerungen und Schichtungen liegen auch den Arbeiten von Bärbel Messmann zugrunde. Mit Tusche, Tempera, Öl, Acryllack und Schellack auf Papier, Fotografie und Transparentpapier werden für ein so kleines Format von 20 x 25 cm ungewöhnlich viele verschiedene Materialien und Techniken miteinander kombiniert. In der Zusammenstellung bringen sie ihre jeweils eigenen Qualitäten ein und stellen sie unter Beweis. Die Interaktion der Arbeiten in der gesamten Ausstellung könnte auch von hier aus ihren Ausgang nehmen, in der Kommunikation, die sich zwischen den unterschiedlichen formalen, haptischen, farblichen und erzählerischen Materialien entzündet. Es ist eine Frage der Zuordnung, um jedem Detail die optimale Entfaltung zu ermöglichen, und manchmal werden die Besonderheiten eben auch erst durch die Beziehungen und Nachbarschaften erkennbar. Die hier beteiligten Künstler*innen, deren Geburtsjahre zwischen 1955 und 1976 liegen, haben den freshtest jedenfalls bestanden.

Kunstverein-Koelnberg e.V., Aachener Str. 66, 50674 Köln. Öffnungszeiten Mi – Sa. 14:00 – 18:00 und nach Vereinbarung unter Tel. 0173-5158734.

Artikelbild: Ausstellungsansicht freshtest. Links Eva Kollischan, Ohne Titel, 2019, Acryl auf Baumwolle, auf Ohne Titel, 2019, Inkjetprint auf Papier

Alle Fotos: Christine Reifenberger


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