Das Gespenst der Freiheit

Das Gespenst der Freiheit


Jonas Schenk über „Das Gespenst der Freiheit. 15 Einreichungen“ – ein Ausstellungsbeitrag für die Mitarbeiter des WDR (1. OG Vierscheibenhaus, Appellhofplatz 1, 50667 Köln) im Rahmen der Ausstellung „Das Neue“ im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 3.6.–5.7.2016. Einlass nur mit Mitarbeiterausweis. Begehung nach Anmeldung bei Sara Dietrich im Rahmen eines Sammeltermins: dietrich(at)kunstverein-duesseldorf.de / Trailer: https://vimeo.com/168486780

Die vielleicht größte Kunst des Fernsehens liegt darin, dass sich dessen lobotomierende Wirkung wissentlich ausgesetzt wird. Dabei ist es nicht einmal die fernsehende Zeit an sich, die bedenklich ist, sondern eher dessen impertinenten Inhalte, die – auf öffentlich-rechtlicher wie privater Seite – vor allem darin glänzen, dass sich hinsichtlich ihrer Neuheit lediglich ein Mindestmaß an Kreativität finden lässt (von einigen wenigen Sendungen abgesehen). Hier heißt es: Less is a bore, but who cares anyways? So treibt einem nicht nur das tägliche Programm Schweißperlen auf die Fernsehbedienung, sondern auch die mangelnde journalistische oder gar kritische Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst im Rahmen eines öffentlichen Auftrages.

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Das Problem quasi am Schopfe packend sucht Alex Wissel den Austausch mit einem ihrer Brandherde, dem Westdeutschen Rundfunk. In den Fluren auf einer Etage des Vierscheibenhauses am Appellhofplatz realisiert der Künstler die Ausstellung „Der Geist der Freiheit. 15 Einreichungen“, die sich in erster Linie an die MitarbeiterInnen richtet und sich als Kreativ-Pool versteht. Wissel rief für dieses Projekt Künstler zusammen, ein TV-Produkt ihrer Wahl in Form von großformatigen Wandplakaten zu entwickeln, die Kunstwerke sind und gleichzeitig als Konzeptpapier fungieren. Die Schau ist Teil und kartographische Verlängerung von Hans-Jürgen Hafners Abschiedsausstellung „Das Neue“ im Düsseldorfer Kunstverein und wurde als Kooperation gemeinsam entwickelt.
Während Hafners Ausstellung vom Neuen als wiederholendes Motiv in der Kunstgeschichte erzählt, welches als gängige Methode der ständigen Ausreizung von emotionalen, moralischen oder bildlichen Grenzen einer dauerhaft strapazierten Aufmerksamkeitsökonomie entgegenwirkt (die Aktie der Aufmerksamkeit ist nicht weniger nervös als am Wertpapiermarkt), lässt sich beim Fernsehen interessanterweise das genaue Gegenteil feststellen: Das Neue und Experimentelle wird meist mit sinkenden Einschaltquoten bestraft. Kleinste Änderungen im Ablauf gewohnter Serien produzieren bereits zuckende Stirnfalten (man stelle sich einmal vor, Charlie Sheen hätte in Two and a Half Men plötzlich Oxford-Hemden mit Button-Down Kragen getragen) – eine Reaktion, die aber auch gegenüber Künstlern geäußert wird, wenn sie sich erdreisten, in eine Routine zu verfallen.

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Tobias Hohn und Stanton Taylor

Und so bewegen sich auf den ersten Blick auch die meisten der 15 Einreichungen im abgesteckten Rahmen bestehender TV-Formate, als würde das „Gespenst der Freiheit“ tatsächlich umhergehen. Denn nahezu unangetastet bleibt die Frage, wie zeitgenössisch Fernsehen ist, bzw. wie relevant Fernsehen noch sein kann. Rüttelt doch das Streamen großkonzerniger Serien und Youtube am Alleinstellungsmerkmal der Massenunterhaltung. Doch von einer Schockstarre ob der Möglichkeiten zu sprechen wäre freilich unangebracht und zu früh, versteht sich die Ausstellung doch vielmehr als Mehrteiler. In einem halben Jahr wird der zweite Teil wieder im Vierscheibenhaus stattfinden, bei der die ersten fertig produzierten Serien/Filme sowie neue Vorschläge gezeigt werden sollen. Während jetzt einige Einreichungen nur Konzept bleiben, sind andere Serien oder Filme, wie die von Alex Wissel/Yael Salomonowitz, Ben Kaufmann, Lukas Goersmeyer und Oliver Kohlmann oder Henning Fehr und Philipp Rühr bereits in der Produktion. Die Ausstellung versteht sich – etwa mit einem Vorschlag zur Umgestaltung des WDR Logos – als Chance für beide Seiten. Ob der jetzt gestartete Dialog in Zukunft Früchte trägt, wird sich zeigen.

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Ernst Markus Stein

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Yael Salomonowitz und Alex Wissel

Realität und Wunschdenken stehen sich so Seite an Seite. Die Idee eines eigenen TV-Senders, der 24/7 eine Aufnahme von D´Angelos bekannten Musikvideo zeigt, in dem sein perfekter Körpers geradezu absurd inszeniert wird, bleibt wahrscheinlich Konzept, beschreibt aber gängige mediale Mechanismen, Sex und Wiederholung gewinnbringend einzusetzen. Über Sinn, Zweck und Nutzen von Ernst Markus Steins Sendung „Bedeutende Tiere der Menschheitsgeschichte“ mag man zweifeln angesichts zigfacher Tier- und Zoodokus, doch ist das Plakat ein umso bereichernder Beitrag der Ausstellung. Eher analytisch zerlegen Stanton Taylor und Tobias Hohn das Format der Sitcom. „The sitcom is a repetition. Repetition is the sitcom“ heißt es einleitend. Der Epilog ertränkt das Plakat in einem Schwall aus Gelächter, so wie jeder vor Dummheit grunzende Witz von einem Orchester an canned-laughter begleitet wird.
Absurde Plots und Charaktere zeichnen einige der Vorschläge aus, um aus dem Loop an Einfaltslosigkeit auszubrechen. Die Künstler arbeiten innerhalb der Gesetzmäßigkeiten von Fernsehen; ob sich ihre Wirkung entfalten kann bleibt fraglich.

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Anna-Sophie Berger, Installationsansicht „Das Gespenst der Freiheit. 15 Einreichungen im WDR, Köln –Ein Ausstellungsbeitrag im Rahmen der Ausstellung ‚Das Neue‘,Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 2016“ Courtesy Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, Foto: Katja Illner

Scheitert hier also der Versuch der im Vorfeld angekündigten Subversion bereits beim Zeitpunkt der Bekanntmachung? Genau hier liegt der Unterschied zur Ausstellung Kunst im Sog des Fernsehen (Kölnischer Kunstverein, 2010), die künstlerische Praktiken der parasitären Einnistung innerhalb von TV-Produktionen aufzeigte, welche ohne Wissen der Intendanten vollzogen wurde. Der Geist der Freiheit beschreitet vielmehr den offiziellen Weg und versteht sich deshalb umso mehr als Diskussionsplattform, die nicht rückblickend, sondern im Jetzt stattfinden muss und soll, um verkrusteten Strukturen einen neuen Anstrich zu geben.

Artikelbild: Installationsansicht „Das Gespenst der Freiheit. 15 Einreichungenim WDR, Köln –Ein Ausstellungsbeitrag im Rahmen der Ausstellung ‚Das Neue‘, Kunstverein für die Rheinlandeund Westfalen, Düsseldorf, 2016 Links: Björn Beneditz,2016, WandtapeteMitte:Lukas Goersmeyer und Oliver Kohlmann,2016, WandtapeteRechts: Tobias Hohn und Stanton Taylor, 2016, Wandtapete, Courtesy Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, Foto: Katja Allner


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