Pietro Roccasalva

Pietro Roccasalva


Noemi Smolik über Pietro Roccasalva, F.E.S.T.A., Kölnischer Kunstverein, bis 23.3.2014

Bei der Eröffnung der Ausstellung von Pietro Roccasalva im Kölnischen Kunstverein bot sich manch einem zunächst folgender Eindruck: Eine durch das Kunstvereinspersonal forcierte Schlange von Besuchern wartete vor der Eingangshalle, beim Eintreten dann ein Labyrinth von eingezogenen weißen Wänden, sonderbare Gemälde mit hervorstechenden metallischen Objekten und Gesichtern, die sich dem Betrachter zu entziehen scheinen, verschlüsselte minimalistische Installationen, weitere Warteschlangen. Endlich öffnete sich der Raum wieder in die Weite, dann jedoch war das Deckenlicht so grell, die Kunst so unscheinbar in die Wand eingelassen, dass man fast gar nichts mehr warnahm. Hier fühlte man sich endgültig verloren. Der Ausstellungsraum in einer Atmosphäre zwischen Büroetage und Tiefgarage.

Installationsansicht Pietro Roccasalva F.E.S.T.A., Kölnischer Kunstverein, 2014. Foto: Simon Vogel

Irritiert ging man von dort in den Kinosaal, um sich die Videoarbeit „Giocondità“ aus dem Jahr 2002 anzusehen. Mit einem dumpfen Ton erscheinen hier die weiß strahlenden Arkaden einer venezianischen Kirche als Animation auf der Leinwand. Nach mehrmaligem Kameraumfahrten ertönt plötzlich fröhliche Zirkusmusik und die Kuppel des Gotteshauses entpuppt sich bei der Nahansicht als Zitronenpresse, die sich dreht. Absurd, grotesk und gleichzeitig tiefgründig metaphysisch, wie man es aus den Bildern von Giorgio de Chirico kennt.

Installationsansicht Pietro Roccasalva F.E.S.T.A., Kölnischer Kunstverein, 2014. Foto: Simon Vogel

Installationsansicht Pietro Roccasalva F.E.S.T.A., Kölnischer Kunstverein, 2014. Foto: Simon Vogel

Atmosphärisch nun schon eher eingestimmt, wagte man später hoffentlich noch einen zweiten Blick in die menschenleere Ausstellungshalle. Um den Blick, das Sehen und darum, dass das Sehen, Nichtsehen und Gesehen werden viel abenteuerlicher ist, als man denkt, geht es Roccasalva nämlich. Hier erteilt uns diese Ausstellung eine Lektion. Denn möglicherweise sieht man erst jetzt den Eimer aus roter Terrakotta in einer Nische stehen. Der Eimer hat keinen Boden, er leuchtet vielmehr gleich um die Ecke in der Filmprojektion, die ein Ölbild überstrahlt. Das Bild zeigt einen Kellner, der mit einem silbernen Tablett hantiert, aber man kann ihn kaum sehen. Denn der rote Kreis der Projektion blendet wie eine Sonne und man kann, wenn man möchte, an die Oper „Sieg über die Sonne“ von Kazimir Malewitsch denken. „A Good Man is Hard to Find“ ist der Titel dieser Installation. Ist es vielleicht dieser „gute Mann“ auf dem Bild, der wegen so viel Licht kaum zu sehen ist? Wie in den meisten Präsentationen von Roccasalva ist die Ausstellung im Kunstverein nicht nur voll von Bezügen und Querverweisen sondern auch von Erzählungen.

Installationsansicht Pietro Roccasalva F.E.S.T.A., Kölnischer Kunstverein, 2014. Foto: Simon Vogel

Installationsansicht Pietro Roccasalva F.E.S.T.A., Kölnischer Kunstverein, 2014. Foto: Simon Vogel

In zwei sich gegenüberliegenden Räumen leuchtet jeweils eine fast zwei Meter lange Neonschrift an den Stirnwänden: „You never Look at me from the place I see you“ von 2013. Der Satz stammt von Lacan und ist seiner 1964 gehaltenen Vorlesung „Linie und Licht“ entnommen. Einzelne Buchstaben sind seitenverkehrt, es macht Mühe, sie zu lesen. Der Zwischenraum der sich spiegelnden Schriften füllt sich mit der Überlegung: Kann ich mich vielleicht doch aus den Augen meines Gegenübers anblicken? Etwa in der Vorstellung?

Il Traviatore, 2013, pastel on paper on panel, 85 x 59,5 cm, Photo: Laura Fantacuzzi, Courtesy Private Collection, New York

Was sehe ich wirklich und was ist nur die Projektion meiner eigenen Vorstellungen? Um diese Frage dreht sich auch der 1969 von Andrej Tarkowski gedrehte, wunderbare Film über den russischen Ikonenmaler „Andrej Rubljow“. Daher überrascht es nicht, dass es dieser Regisseur ist, dem Roccasalva einen achtminütigen Film widmet. „Truka (D’après Andreij Rublev by A. Tarkowsky)“ von 2007 ist jeden Sonntag um 17 Uhr im Kunstverein zu sehen und er macht klar, wie auch die gesamte Ausstellung, dass das Ultimative der US-amerikanischen Malerei „You see what you see“ auch nur eine große Illusionen war.

Installationsansicht Pietro Roccasalva F.E.S.T.A., Kölnischer Kunstverein, 2014. Foto: Simon Vogel

Im hinteren, offenen Teil der Ausstellungshalle sind gravierte Marmortafeln in die Wände eingelassen. Klein und unscheinbar verlieren sie sich im Raum. Auf jeder Tafel ist eine Gruppenausstellung mit Titel, Ort, Datum und den Namen der teilnehmenden Künstler und Künstlerinnen angegeben. Nur der Name Pietro Roccasalva ist überall entfernt, hier und dort erkennt man noch ein paar Spuren. In der Vorstellung taucht das ein oder andere Werk der aufgeführten Künstler auf und möchte damit den viel zu leeren Raum füllen. „Che cosa sono le nuvole“ heißt diese Arbeit von 2011 und bezieht sich wohl auf den gleichnamigen Film von Pasolini (dt: Was sind die Wolken?) in dem von einem aufgebrachten Theaterpublikum arg ramponierte Marionettenfiguren auf einer Müllhalde landen und dort zum ersten Mal den Himmel sehen.

Installationsansicht Pietro Roccasalva F.E.S.T.A., Kölnischer Kunstverein, 2014. Foto: Simon Vogel

Man entdeckt nun vielleicht auch erst an einer Rückwand das große Pastell mit dem Titel „Il Traviatore“ von 2012. Es zeigt wieder einen Kellner, der, sich höflich vorbeugend, den Deckel von einem silbernen Teller hebt und eine silbern glänzende Zitronepresse präsentiert. Die feinen Linien und Schraffuren sind so elegant und gekonnt ausgeführt, dass das kühle Licht der Ausstellungshalle darin zu reflektieren scheint. Und das ist die Stärke dieses Künstlers; in seinen konzeptuellen, nicht immer leicht zugänglichen Installationen, ist Roccasalva vor allem ein hervorragender Maler. Es ist auch die Malerei, die Ausgangspunkt und Ziel seiner Installationen ist. Denn sie ist es, die den größten Freiraum für Illusionen bietet, und diese als solche zu entlarven, muss gelernt sein. Wenn man sich auf Roccasalvas ein wenig kompliziertes Spiel in Kölnischen Kunstverein einlässt, hat man das ein Stück weit erfahren.


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