Cuba Libre

Cuba Libre


Museums / Michael Wiesehöfer, Köln / bis 21. Mai


In dem als Kunstkraftwerk neu gegründeten Galerienhaus an der Schönhauser Straße 8, das nun die drei Galerien Thomas Zander, Schmidt Maczollek und Michael Wiesehöfer unter einem Dach beherbergt, zeigt letztere in ihrer ersten Schau Museen. Der Titel Museums verweist auf die stationären Gastspiele der gezeigten Arbeiten, denn sie alle wurden bereits in größeren Häusern präsentiert. Wiesehöfer zeigt damit ein panoptisches Nachspiel des 1970 auf Kuba geborenen Künstlers Diango Hernández.

Abgesehen vom Aspekt der Wiederkehr und -verwendung von bereits Genutztem deutet die Titelgebung gleichwohl auf den Erfolg des jungen Künstlers in der europäischen Ausstellungslandschaft hin, was primär seiner poetisch-kritischen Arbeit über das Scheitern der systemischen Utopie seines Heimatlandes geschuldet ist. Ende der 1980er Jahre ging der junge Hernàndez nach Havana, um zunächst Industriedesign zu studieren, entdeckte doch wenig später sein Interesse an Kunst – an unumgänglich politischer Kunst. In den neunziger Jahren – der Zeit des Erblühens von Hernández‘ Tun – stürzte der Zerfall der Sowjetunion Kuba in eine ökonomische Krise, die bis heute absurde Früchte trägt, denn trotz akzelerierender Globalisierung scheint der Staat bis heute das Innere nicht nur rhetorisch revolutionistisch halten zu wollen. Kuba ist für Zigarren bekannt, aber auch für die gewaltsame Militärdiktatur der Castros. Da das kommunistische Parteiensystem keine opponierenden Gruppen vorsieht, ist die Kunst eine der wenigen heiklen Organe der Menschen, ihrer Bürde Ausdruck zu verleihen. Die Umstände künstlerischen Arbeitens jedoch bedeuten Güterrationierung und -knappheit, den Mangel an Materialien, die Angst vor brutalen Verhören und dunkle Hoffnung auf strafbare Emigration –Tatsächlichkeiten, die der Künstler in seinem Werk reflektiert. Die tief greifende Gravur des sozialistischen Alltags auf der castristischen Insel, die Prägung immerwährender Präsenz potentieller staatlicher Repressalien, scheint in jeder Arbeit Hernández‘ wie ein oppositionales Wasserzeichen durch.

Hernández arbeitet aufklärerisch und lässt die Dinge, die er verwendet – Second Hand- und Flohmarktobjekte, die eine Besitz- und Zeitgeschichte mitbringen – Bände sprechen. Bei Wiesehöfer erfüllt eine spielerische und zugleich ernsthaft kritische Poesie, ein Abgesang auf zwanghafte gesellschaftliche Umstände, auf Weltanschauungsmodelle und Dystopien den eleganten Ausstellungsraum. In der zentralen Arbeit Happy Birthday Dear President thematisiert der Künstler die groteske Realität der militaristischen Scheinwirklichkeit. Gebrauchte Stühle, konformistisch in Reih‘ und Glied, tragen ein das Staatshaupt zum feierlichen Jahrestag zelebrierendes Banner wie Soldaten anlässlich einer Geburtstagsparade. Ihr lädierter Stoffbezug erinnert an die kubanischen Militärabzeichen. Das überdimensionale glorifizierende Banner verdeckt ihre gebrechliche und aufeinander angewiesene Existenz – sie sind beinamputierte Veteranen, (schein-) systemerhaltende Gebrochene, denn sie haben alle nur zwei Beine.

Auch die Papierarbeit The Dark Day Parade thematisiert einen Parademarsch. Die über fünf Meter breite Zeichnung zeigt den oberen Ausschnitt eines Leichenzugs mit Insignien der Demokratie, Sinnbilder von (Meinungs-) Freiheit, Kreativität und Leben. An Latten prangernde Megaphone, Bücher und Blumen scheinen in einem ritualisierten und feierlichen Akt zu Grabe getragen zu werden. Unter ihnen und vor einem apokalyptischen Himmel eine in Diamantform geschliffene Sonne – eines von Hernández‘ zentralen Metaphern. Licht und Dunkelheit, Sonne und Schatten sind wesentliche Sinnbilder in Hernández‘ Arbeiten, die für Inspiration versus Konformität und letztenendes für Freiheit versus Gefangenschaft und Unterdrückung stehen.

Im Ausstellungsraum der Galerie Wiesehöfer verbindet sich die Farce der Geburtstags-
parade über die Wandarbeit The Bay of Pigs mit dem zweiten Teil der Schau. Historische Magazinseiten der Bunten von 1961–63 mit dem jede Drucksache beherrschenden Thema um den damaligen US-Präsindenten Kennedy und die Kuba-Krise stecken, einseitig schwarz, zur anderen Seite weiß gefärbt, zusammengerollt in einer Trennwand und spielen auf die Schwarz-Weiß-Malerei politischer Systemmodelle an.

Im zweiten Ausstellungspart brilliert Hernández wiederum mit einer Arbeit, die auf den bereits angesprochenen absurden und künstlich erzeugten, fast maoistischen Präsidentenkult referiert. Auf einem großen Schachfeld stehen überregulär viele Figuren, die allesamt Stuhlbeine verschiedenförmiger Art und in diversen Abständen zueinander positioniert sind. Die Szenerie wird durch sieben gerahmte, dem Schachbrettmuster entsprechende Texte begleitet, die Fidel Castros Zweite Deklaration von Havanna 1962 abdrucken – welche schließlich zur Kubakrise und damit der Eskalation zwischen USA und UdSSR führte. Hernàndez‘ Verquickung von Fidel Castros Liebe zum Schachspiel, dem öffentlichen Spiel auf dem Platz der Revolution in Havanna und strategischem politischem Denken gelingt mühelos. Der Seitenhieb der die kubanische künstlerische Realität spiegelnde Improvisation führt die Möbel-Metaphorik wunderbar weiter. Dem absurden Ludarium pflichtet auch noch eine Arbeit aus Hernàndez‘ Amateur – Serie bei: Fragmente, die er auf Kuba zusammengetragen und teilweise signiert hat, die dadurch zu Zeitzeugen oder archäologische Fundstücke kubanischer Gegenwärtigkeit werden.

Für Hernàndez bedeutet jegliches künstlerisches Arbeiten »Zeichnen« und man kann dem Von-der-Seele-Zeichnen seiner Erfahrungen, Geschichte und kritischen Gedanken nachspüren – besonders in den installativen Arbeiten. In ihnen verbindet sich spielerische Leichtigkeit im Umgang mit bitterernstem gesellschaftspolitischen Realitätenstoff mit einem klaren Blick für bewusst eingesetzte Secondhand-Materialien zu poetischen Statements, die die Sicht auf systemisch fragliche Schachzüge freilegen. In Diango Hernández‘ Arbeiten erklingt die Stimme eines klaren künstlerischen Standpunktes, die in den Ausstellungsräumen Europas aufgrund der unverhohlenen und spielerischen Art der Systemkritik auf offene Ohren trifft. Es ist so dramatisch wie wahr, dass derartige Umstände immer wieder gute Kunst hervorbringen – die in den eurozentristisch verschatteten Diskurs, inwieweit Kunst immer politisch ist, sein darf oder muss neues Licht bringt.


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