Jetzt mal im Ernst


»Neues Rheinland. Die postironische Generation«, Museum Morsbroich, Leverkusen, 29. November 2010 – 13. Februar 2011, Eröffnung 28.11.2010, 12 Uhr


„Lieber Maler, male mir“  – Für diese Serie aus 12 großformatigen Bildern des Jahres 1981 ließ Martin Kippenberger seine Motivvorlagen durch professionelle Plakatmaler malen und provozierte damit gehörig den Kunstbetrieb: Der Künstler wollte nicht länger handwerklicher „Könner“ sondern Beobachter und streitbarer Kommentator sein. Von solch ironischen Ansätzen ihrer allgegenwärtigen Überväter distanziere sich hingegen die junge, also die in den 1970er Jahren geborene, Künstlergeneration des Rheinlandes, so erläutert Kuratorin Stefanie Kreuzer, den Grundgedanken ihrer Ausstellung.

Gut möglich, dass Ironie, in ihrer eher unsympathischen Eigenart, auszuteilen und sich dabei zugleich wieder aus der Schlinge zu ziehen, heute für Künstler eine andere ist, als noch in den 1980er Jahren. Das „Sich-angreifbar-machen“ ist schließlich, nicht zuletzt dank Facebook und Twitter, wo alles und jeder zitiert, Alltägliches zur Headline und Politisches unmittelbar kommentiert wird, in Mode gekommen. Aber Ironie steht auch für Mehrdeutigkeit, für Humor, Tragik und eine kritische Haltung. Was also ist es, das diese jungen Künstler des Rheinlands – will man denn also unbedingt in einer globalen Welt eine Generation regional verorten – der Ironie von einst entgegen zu setzen haben? In der Hoffnung auf Antworten hatten sich Journalisten gestern zahlreich nach Leverkusen in das barocke Schloss Morsbroich aufgemacht. Anlässlich der Pressekonferenz verlas denn auch Direktor Markus Heinzelmann zunächst ein Zitat des amerikanischen Poppautors David Foster Wallace, um den hier Versammelten zur aktuellen Situation am Rhein auf die Sprünge helfen:

Real rebels, as far as I can see, risk disapproval. The old postmodern insurgents risked the gasp and squeal: shock, disgust, outrage, censorship, accusations of socialism, anarchism, nihilism. Today’s risks are different. The new rebels might be artists willing to risk the yawn, the rolled eyes, the cool smile, the nudged ribs, the parody of gifted ironists, the “Oh how banal.” To risk accusations of sentimentality, melodrama. Of overcredulity. Of softness. Of willingness to be suckered by a world of lurkers and starers who fear gaze and ridicule above imprisonment without law. Who knows. („E Unibus Pluram“ aus: A Supposedly Fun Thing I’ll Never Do Again, Harper’s 1997)

 

Wallaces durchaus schönes Plädoyer gegen die Ironie und für Authentizität, Mut zur Banalität und Lächerlichkeit wollten Kreuzer und Heinzelmann hier ausdrücklich als ein inhaltliches Kriterium, weniger als ein Stilmerkmal für die 33 Arbeiten in der Ausstellung verstanden wissen. Damit war dann von Museumsseite allerdings auch schon genug über Inhalte gesagt. Als „mutig“ da „marginal“ wurde stattdessen der Umgang von Material wie Keramik und Techniken wie der Scherenschnitt, insgesamt auch das Augenmerk auf Substanz hervorgehoben. Schließlich warf der Direktor dann noch das Stichwort Attac als denkwürdigen Happen vor die gezückten Kugelschreiber.

 

Um politische Inhalte geht es in dieser Ausstellung jedoch nicht und auch konzeptuelle oder diskursive Ansätze sind rar gesät. Materialismus, bzw. eine politische Ästhetik mag dagegen eher im Mittelpunkt der Auswahl stehen. Doch die handwerklichen Auseinandersetzungen mit Material und Medium, sei es Malerei, Fotografie, Styropor oder Stoff sind hier nur selten wirklich riskant oder gar so neu, wie der Ausstellungstitel behauptet. Louise Bourgeois etwa arbeitete ja Zeit ihres Lebens mit Keramik. Und eine Materialismus Welle schwappte bereits aus dem Berlin der 1990er Jahre über den Kunstmarkt. Besonders schade auch, dass die Ausstellung, trotz hervorragender Kulisse, insgesamt nur wenige, wirklich spannende Auseinandersetzungen mit dem Raum zulässt.

 

Überzeugen können in dieser Ausstellung hingegen einige Einzelpositionen, darunter die malerischen Experimente von Tobias Hantmann. Der in Düsseldorf lebende Künstler malt statische Spiegelungen auf die polierten Unterseiten von Kochtöpfen und nutzt Teppiche mittels „Kämmens“ zugleich als reversiblen Malgrund und Farbe. Die Collagen sowie die Videoarbeit „No place like home“ der KHM Absolventin Eli Cortinãs bilden mit gefundenem Material aus Magazinen und den Hollywood Klassikern der 60er und 70er Jahre vielschichtige gesellschaftliche Studien. Auch Manuel Grafs Installation ist ein Lichtblick in der Ausstellung. Graf, der nach einigen Jahren in Istanbul und Paris nun auch wieder in Düsseldorf lebt und arbeitet, verbindet assoziativ seine Videoanimation architektonischer Körper, Klang und Musiksamples mit der Malerei einer aus dem Iran geflohenen Künstlerin (Pseudonym: Mme Dogda).

 

Wer einen Überblick über aktuelle Kunst aus dem Rheinland möchte – von der übrigens auch der weitaus größte Teil bereits in den Kölner und Düsseldorfer Galerien zu sehen war – der hat mit dieser Ausstellung maximal einen Einstieg. Wer darüber hinaus aber Zugänge zu den Arbeiten sucht, oder interessiert ist, was diese Generation, oder vielleicht einzelne Positionen daraus verbindet bzw. spaltet, der wird enttäuscht. „Neues Rheinland. Die postironische Generation“ ist eine Schau, die mit ihrem Bezug auf die Kunst vor 30 Jahren nicht nur recht spät, sondern in ihrem Ansatz auch erstaunlich regressiv daher kommt.


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