Die São Paulo Biennale
Mia Leisse über ein Projekt von Henning Fehr und Philipp Rühr in den Räumen von MAP Markus Ambach Projekte, Bachstr 139-143 (Zugang über Bilker Arcaden), 40217 Düsseldorf, Mi. – Fr. 11:00 – 18:00 Uhr, 29.1. – verl. bis 13.3.2011
Seit zwei Jahren gibt es nun das Ausstellungsprojekt The Chain – auf dem Parkhaus der Düsseldorf Arkarden reihen sich drei Wohnhäuser, ein Parkhausplateau ist Sockel für eine ordentlich domestizierte Planungsästhetik. Markus Ambach ist Initiator, ihm stehen drei identische und vitrinenartige Erdgeschosse als Veranstaltungsraum zur Verfügung,
die lichtfugenartig das eigentliche Volumen der Nutzfläche aus ihrem Umfeld heben. Ambach will einen Raum für künstlerische Debatten bieten, der an die städtische Öffentlichkeit anknüpft. Überhaupt will Ambach sehr viel, spricht von Selbstorganisation, von Zwischennutzung, der Rolle von Institutionen, Kuratoren und Künstlern, dem Verhältnis zueinander und darüber – denn da will The Chain Statement sein – wer eigentlich die Definitionsmacht für Kunst innehat. Er spricht über Wertproduktion, kollektive Praxis, und über sich, sich als Künstler und Schnittstelle zwischen Künstlern und Förderern. Er spricht über den Begriff von Nachbarschaft bei Foucault in Bezug auf das Nebeneinander der Künstler, mit süffisanter Einleitung: „Und jetzt wird’s kompliziert..“. Überhaupt scheint Ambachs Realität aus Zeichen zu bestehen obwohl er das Gegenteil behauptet, am Beispiel des Kunstwerkes, das man immer und grundsätzlich als Original erfahren müsse. Foucault ist sein Zeichen für Diskurs und Postmoderne, diesen Glatzkopf, den kennt man doch, was wollte der noch mal? Ja, es ging um Macht, dem Bedürfnis, beherrscht zu werden, aber Nachbarschaft?
Aber jetzt weiter im Text, es geht hier schließlich um die Kunst selbst, das war seine Einleitung. Sie war Entschuldigung dafür, das Ambach über sein The Chain spricht, darüber, was es will, und es will nur Gutes für den Künstler. Sein Zeigefinger: Das muss natürlich bezahlt werden. Ein Schütte musste transportiert werden. Darüber freut er sich sehr, ein großer Schütte ist da, nicht nur sowas kleines, so um den Namen zu haben, große Namen neben den kleinen. Wie war das mit der Wertproduktion? Ambach hat viele Themen, lässt sie kategorisch offen, was sehr gefährlich ist, weil er mit Vokabular arbeitet, das, von einer Linken eingeführt, längst ausgelotet wurde, und schließlich Eingang in all die Strukturen fand, zu der er Alternative sein möchte, auch in kommunale und nationale Förderstrukturen. Ambach arbeitet sich ab, er tut zumindest so, an starren Vorstellungen von Kunstobjekt, Markt und Institution. Seine Gegner sind da viel weiter, man fördert längst projektorientiertes Arbeiten, Selbstorganisation, Schnittstellen und Zwischennutzung. Entmachtet werden Institutionen nicht von Seiten der Künstler, sondern von politischer Seite, in Düsseldorf sicher schwächer als anderswo. Letztendlich bleibt er stecken im Düsseldorfer Regionalismus, was sicher symptomatisch ist für diese verkommene Metropole, die ihre Volksfeste feiert, mit dem Vorzeichen der Kunst.
Derzeit veranstalten die Künstler Henning Fehr und Phillip Rühr in den Lichtfugen die São Paulo Biennale. Den Titel liest man als künstlerische Entscheidung, als Setzung und kalkulierten Widerspruch. Das Konzept Ambachs: Künstler sollen das Programm bestimmen. The Chain heißt: der ausstellende Künstler bestimmt den, der als nächstes ausstellt, und nach zwei Jahren, so entschieden Künstler, muss eine Biennale her.
Phillip Rühr erklärt, die Ausstellung sei ein Kommentar auf die Situation der sich inhaltlich leer laufenden Biennaleformate. Er sieht sie verknüpft mit der Mutter globaler Kulturevents, der Weltausstellung, deren Ästhetik er in der Architektur, dem Parkhausplateau und den drei Wohnhauskuben erkennt, eine Ästhetik, die direkt dem Computer entsprungen zu sein scheint, ein Kalkül aus Funktionalität und Ökonomie. Trotz ihrer physischen Realisierung, hat sie etwas Virtuelles, weil sie überall stehen könnte. Räume erscheinen funktional, sind aber zu schmal, zu klein und zu niedrig, um wirklich als souveräne Volumen zu funktionieren; was man im Computer natürlich nicht sieht.
Was kann man besseres machen, als in solchen Räumen Eröffnungen zu feiern. Stopf die Räume voll mit Menschen und legitimiere sie, schau dich um, alle sind da. Stopf die Welt mit Biennalen voll, taumel beschwipst umher und versuch den Überblick.
Fehr und Rühr steigen nicht ein in die Diskussion um den Sinn von Biennalen, darum, wer ein Interesse an ihnen hat und welche Funktion sie in der Globalisierung übernehmen. Und doch berühren sie Punkte, die helfen könnten, unsere Haltung gegenüber Kunstgroßveranstaltungen zu präzisieren, als Kulturproduzenten und ihre Zuschauer. Durch die Adaption etablierter Kulturproduktionsweisen werden Images produziert. Die Wiederholung schält etwas Grundsätzliches frei, nämlich den Drang, Kultur voranzutreiben, um sich selbst als Teilnehmer übergeordneter Prozesse darzustellen. Man ahnt, was hier im Kleinen passiert, gibt es auch im Großen, man nennt es einfach mal so, übernimmt, was funktioniert. Fehr und Rühr lassen diese Strategie schroff auflaufen, es enttarnt sich alles sehr schnell, man liest die Adresse, der neue Coup, Düsseldorf hat die São Paulo Biennale zu sich geholt, naja, schaut dann weiter und weiß Bescheid…
Ihr Kommentar bleibt bei der Geste stehen. Ähnlich wie Ambach sparen sie sich Konkretisierungen. Ihre Leerstelle ist jedoch produktiv, durch ihre Schroffheit. Letztendlich stellen sie die Frage: Wo steht eigentlich Düsseldorf? Es gibt keine Biennale dort, auch keine Kunstmesse, nichts dazwischen, nur die Klassiker: Institutionen und Galerien. Wer weiß noch da draußen, dass wir eine Metropole sind?
Das Motto der echten São Paulo Biennale, der Bienal Internacional de Arte de São Paulo, lautete im vergangenen Jahr: Es gibt immer eine Tasse voll Meer um darin zu segeln, geliehen aus einem Gedicht des brasilianischen Dichters Jorge de Lima. Fehr und Rühr versuchen, in ihrer Modellbiennale Künstlerinnen und Künstler zum segeln zu bringen. Moacir dos Anjos und Agnaldo Farias, die Chefkuratoren in São Paulo gehen von einer utopischen Dimension aus, die grundsätzlich in Kunst vorhanden ist. Nach ihnen bewegen sich Künstler in einer nahen Unendlichkeit, in der sie trotz aller Widrigkeiten ihre Werke schaffen. Atopisch hingegen ist Fehrs und Rührs Konzept. Sie lassen die Künstlerinnen und Künstler in ihren Tassen, um ihre hohe Originalität ernst zu nehmen und nicht zu stören. Es gibt nicht den Versuch, übergeordnete Aussagen zu machen und Zusammenhänge aufzuzeigen. Es gibt nur Realitäten, die vielen Düsseldorfer Künstlerinnen und Künstler, die in ihren Tassen segeln und eine globalisierte Ausstellungsrealität, an der man zwar nicht teilnimmt, zu der man sich aber zu verhalten lernt. Fehr und Rühr trugen Tassen zusammen, ein Tassenbasar und wir dürfen uns die Raritäten anschauen, schauen was uns gefällt.
Was Fehr und Rühr nach außen gelingt, verunglückt im Innern. Die kalkulierte Setzung des Titels, stellt sich als Hülle für ein angestrengtes Nebeneinander heraus, ähnlich einer Rundgangssituation an der Kunstakademie. Über die Verwaltung des Raumes kommen die Kuratoren nicht hinaus, dabei wäre es gerade in Düsseldorf interessant, Alternativen zu prüfen, wie Kunst und Raum anders organisiert werden könnten. Gerade mit dem Hintergrund einer Kunstakademie, durch die ein sehr fester Arbeits- und Objektbegriff aufrecht erhalten wird und in der die Organisation von Ausstellungen nur Administration ist, was zwar als Alternative zu einer inflationären Kontextproduktion betrachtet werden kann, aber zu undeutlich als bewusste Antithese bleibt, als solche auch nur dann bestehen könnte, wenn ein Bewusstsein darüber spürbar wäre, in welcher Weise es Antithese ist. Umgekehrt wird eine Präsentationsweise nachgeahmt, die den Umgang mit Objekten in Museen simuliert, die zwar auch zunehmend versuchen übergeordnete Zusammenhänge zu konstruieren, dabei aber sehr vom Kunstobjekt ausgehen.
Einer der Künstler, Max Schulze, prüft mal, wie stabil sein Tässchen ist, ob seine Bilder halten in dieser Planungsrationalität. Wie er in seinem Bildraum prüft, wie tot eigentlich informelle Gesten sind, sein Bild greift in die Fuge, Schulzes präzise Karikatur auf Tiefe und Beliebigkeit, ein unglaubwürdiges Universum, unglaublich nah am Ort der Ausstellung, ein Ort, der Modell ist für zeitgenössische Rationalitäten und für eine entstellte Moderne. Schulzes Bildraum ist eine Aufzeichnung affektiver Handlungen, die durch nachträgliche und kontrollierte grafische Markierungen gezähmt werden. Das Bild selbst hat er markiert, es schwarz umrandet und damit in die Architektur seines Umraumes gebracht. Schulze verwebt Dinge, die sich brauchen aber nicht finden wollen.
Dieser Ausstellungsraum braucht die Ausdehnung, die Handlung und den Affekt, so wie das Gebäude eine Verortung seiner universellen Formsprache bräuchte. Man denkt an die documenta l und ll, die in pragmatisch hergerichteten Ruinen stattfanden. Vielleicht ist die leerstehende zeitgenössische Gebrauchsarchitektur eine Fortführung der Kriegsruinen, die als Umraum und Realitätsraum für Kunst damals mitgedacht wurde – beides Architekturen, die für gescheiterte Rationalismen stehen.
Mia Leisse
»Die São Paulo Biennale« mit Johannes Bendzulla, Oliver Blumek, Alexander Bornschein, David Czupryn, Günther Förg, Jonas Gerhard, Nancy Glassman, Rodney Graham, Tobias Hantmann, Adam Harrison, Candida Höfer, Satoshi Kojima, Tanja Kodlin, Katja Kottmann, Markus Lüpertz, Bettina Marx, Christine Moldrickx, Lukas Müller, Daniela Neuhaus, Dominic Osterried, Michail Pirgelis, Max Schulze, Thomas Schütte, Sutter/Schramm und Ian Wallace
Programm:
18.2.2011 19 Uhr: Vortrag/Präsentation Daniela Neuhaus & Katja Kottmann / Adam Harrison
26.2.2011 19 Uhr: Videopräsentation: Daniel Ansorge, Robert Brümmerhoff, Matthias Danberg, Tanja Goethe, Sachli Golkar, Kevin Pawel Matweew, Anna Lena Meisenberg, Katharina Schmitt, Arseniy Schuster, Roman Zheleznyak
FINISSAGE
13.3.2011 19 Uhr: Finissage: Videopräsentation von Daniela Neuhaus & Katja Kottmann, Adam Harrison