Hanne Darboven

Hanne Darboven


Uta M. Reindl über Hanne Darboven. Der Regenmacher“ im MKM-Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg, Eröffnung abhängig von den aktuellen Beschränkungen für Museen, Laufzeit bis 21.3.21

Hanne Darboven Der Regenmacher, 1985, Installationsansicht MKM, 2020 MKM Museum Küppersmühle, Duisburg, Sammlung Ströher © VG Bild-Kunst, Bonn 2020 Foto: Henning Krause

Im Museum Küppersmühle für Moderne Kunst (MKM), bekannt für vielfältige, meist unmittelbar ansprechende Malerei -und Skulpturenausstellungen mit Blick auf den Innenhafen Duisburgs, mag nun der Schreib-und Bildkosmos von Hanna Darboven in einigen Sälen des Hauses den einen oder anderen Betrachter vielleicht etwas ratlos innehalten lassen. Die Wände der Räume überzieht fast ganzflächig eine Installation aus Blättern, die von der von der 1941 geborenen und 2009 verstorbenen Konzeptkünstlerin mit großer Disziplin dicht beschriftet und teilweise mit Fotocollagen illustriert wurden. Die strenge Symmetrie der Hängung spiegelt die Gestaltung der Schreibzettel, in die Darboven immer mal wieder, auch in rhythmisierten Abständen Foto-Reproduktionen integriert hat. Weder die sich auf gestikulierendes Schreiben reduzierende Beschriftung, die gerne auch an Partituren denken lässt, noch die darin auftretenden lesbaren Anmerkungen und auch nicht die Abbildungen sind auf den ersten Blick zu entschlüsseln. Gilt es doch im Gesamt der jeweiligen Serie Deutungsmöglichkeiten zu finden.

Hanne Darboven Der Regenmacher, 1985 Detailansicht MKM, 2020, MKM Museum Küppersmühle, Duisburg, Sammlung Ströher © VG Bild-Kunst, Bonn 2020 Foto: Henning Krause

Für ein ausschweifendes Eintauchen in das erstmalig im MKM in diesem Umfang gezeigte Oeuvre Hanne Darbovens bietet sich dem Besucher die beste Gelegenheit, weil die Räume keine abschweifenden Blicke nach Außen zulassen. „Die Säle“, so Walter Smerling, der Direktor des Hauses und Kurator der Ausstellung, seien nun tatsächlich „White Cubes“, auf dass sie „Ruhe für genügend Imagination des Betrachters“ gewährleisten mögen. In dieser Konzentration vermitteln sie denn auch genau das, was der Künstler, Kurator und Museumsleiter Johannes Cladders über Darbovens Beitrag zur Biennale Venedig 1982 schrieb: „ In einer Ausstellung ist es dann präsent: Das Schreiben Tag um Tag, die Menge des Geschriebenen, die Dimensionen, die räumliche Qualität, der sich die zeitliche zugesellt. Ein wahnsinniges Unterfangen, wenn man Darbovens Arbeit mit der Elle des Fertigwerdens mißt. Doch ihr Werk zielt nicht auf Abschluß“.

Erweiterung MKM Museum Küppersmühle Duisburg Perspektive Innenhafen (Simulation) © Herzog & de Meuron

Die Duisburger Ausstellung wird hoffentlich bald einer breiten Öffentlichkeit die vier Werkgruppen aus dem komplexen Oeuvre der äußerst produktiven Künstlern zugänglich machen, die der 2000 Kunstwerke nach 1945 umfassenden Sammlung Sylvia und Ulrich Ströher entstammen. Hanne Darboven zählt zu den wenigen Künstlerinnen der Ströher-Sammlung. Letztere bildet so quasi den Grundstein des Hauses, das anlässlich der Hafenerneuerung Ende der 1990er Jahre von den Schweizer Architekten Herzog & de Meuron im Auftrag des Darmstädter Sammlerpaares aus einem alten Mühlen- und Speichergebäude luxussaniert wurde. Auslöser war die Umgestaltung des Duisburger Industriehafens zu einem Kulturareal im Kontext der Internationalen Bauaustellung Emscher Park (1989 – 1999). Der von den Schweizer Stararchitekten im Bau befindliche Anbau soll – so Corona will – im Mai 2021 eröffnet werden.

Hanne Darboven Originalbuch zu Soll und Haben, 1993 Installationsansicht MKM, 2020 Hanne Darboven Stiftung, Hamburg © VG Bild-Kunst, Bonn 2020 Foto: Henning Krause

Der Reiz der im MKM unter dem Titel „Der Regenmacher“ gezeigten Werke Darbovens besteht fraglos darin, dass sie sowohl deren Biografie als auch die damit einhergehende Sicht auf das Weltgeschehen erschließen lässt.
Das Konvolut „Soll und Haben“ von 1993 vermittelt an ehesten Hanne Darbovens kaufmännische Herkunft aus der Kaffee-Dynastie in Hamburg Harburg, denn sie nutzte die für ein solches Unternehmen notwendigen buchhalterischen Techniken um Kassenbuchführung in Kunst und damit naturgemäß in ein dysfunktionales System von dicht beschrifteten Blättern zu verwandeln.

Hanne Darboven Ansichten ’85 / Harburg – New York, 1984/85 Installationsansicht MKM, 2020, MKM Museum Küppersmühle, Duisburg, Sammlung Ströher © VG Bild-Kunst, Bonn 2020 Foto: Henning Krause, Köln

Ihre künstlerische Laufbahn verarbeitet Hanne Darboven in „Ansichten ´85/ Harburg – New York“, denn der USA Aufenthalt zwischen 1966 bis 1968 war für die gerade von der Akademie befreite Künstlerin eine weiterer Befreiungsschritt – nämlich weg von der Malerei hin zur Konzeptkunst. In New York ließ sie sich künstlerisch vom Prinzip der Serialität und des Minimalismus inspirieren. Die eincollagierten Fotografien von ihrem ländlichen Heimatort Harburg sind da oft von klischeehafte Postkarten aus dem metropolitanen New York kontrastiert. Alte Welt trifft auf Neue Welt.

Hanne Darboven Ansichten ’85 / Harburg – New York, 1984/85 Detail

Hanne Darboven, Juli 1987, in ihrem Atelier in Hamburg © Hanne Darboven Stiftung, Hamburg / VG Bild-Kunst, Bonn 2020 Foto: Hermann Dornhege, Münster

Die titelgebende Serie „Der Regenmacher“ von 1985 mit 1284 Schriftseiten und 102 Farbfotografien manifestiert, wie sehr Darbovens literarisches und weltpolitisches Interesse auch von einem starken Interesse an Wissenschaft begleitet ist.

Hanne Darboven Modell zu Welttheater ’79, 1993 Detailansicht MKM, 2020 Hanne Darboven Stiftung, Hamburg © VG Bild-Kunst, Bonn 2020 Foto: Henning Krause

Einen kleinen Eindruck von Darbovens enormer Archivier-und Sammelleidenschaft vermittelt „Welttheater 93“. Insbesondere für diese Werkgruppe lohnt sich vor dem Rundgang ein Blick in das von Walter Smerling 1991 gedrehte Filmporträt von Hanne Darboven, betitelt nach ihrem Ausspruch „Mein Geheimnis ist, dass ich keines habe“. Den Film gibt es direkt im Eingangsbereich der Ausstellungsbereich zu sehen. Die von Darboven über Jahre zusammengetragenen Objekte aus der Alltagswelt – das veranschaulicht der Film sehr schön – füllten nämlich ihr Atelier bis zum Anschlag und waren häufig Vorlage für die vielen Fotografien in den Schreibblättern. Smerlings Film verschafft dazu noch wertvolle Einblicke in die Vielseitigkeit der Künstlerin, die sich in der Duisburger Ausstellung nicht so sehr vermittelt, wohl aber 2015/2016 in der Doppel-Retrospektive von Darbovens Werk sowohl in der Bundeskunsthalle (Bonn) unter Rein Wolfs und im Haus der Kunst (München) unter Okwui Envezor eindrücklich erlebbar wurde.


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