degree_show_out of KHM
Uta M. Reindl über „degree_show_out of KHM“ im KIT, Düsseldorf, 16.2. bis 21.6.2020
Ungeahnte Brisanz haben die Exponate am Ende des Rundgangs in dem sich verjüngenden Abschnitt des unterirdischen Ausstellungsraumes KIT. So mag der eine oder andere bei der Klanginstallation von Kerstin Ergenzinger (*1975) an hierzulande düsteren Aussichten auf einen erneut trockenen Sommers denken, bei der Wahrnehmung dieses in Trommelsound übersetzte Getröpfel eines ersehnten Regenschauers. Eine Klangwolke rieselt oder tröpfelt da förmlich aus den unter der Decke installierten Rohren auf den Betrachter nieder, der womöglich auf einem jener großen Kissen liegt.
Einige Schritte weiter spielt sich auf den Screens des gebürtigen US Amerikaners Denzel Russell (*1989) das für sein Land geradezu stereotype Werbeszenario ab: mit lieblich animierten Tiergeschichten, berittenen und uniformierten Männern oder gar einem, der seine Pistole auf den Betrachter richtet. Hierbei handelt es sich, laut Saalblatt und Katalog, um Werbung für Privatunternehmen, die mit US Gefängnissen große Geschäfte machen – mit bekanntlich über 80 Prozent Migranten und Schwarze hinter Gitter. Gegen letztere, vor allem gegen Menschen unter der Armutsgrenze richtet sich die Deskriminierungskampagne der Unternehmer, was natürlich an die aktuellen Anti-Rassismus-Proteste in den USA denken lässt.
Die mit „degree_show_out of KHM“ etwas irreführend betitelte Gruppenausstellung, in der sich vielmehr eine kleine Auswahl von Studierenden und Absolventen der Kunsthochschule für Medien Köln im Tunnelrest-Raum unter der Rheinpromenade Düsseldorfs entfaltet hat, wurde von Gertrud Peters und Mischa Kuball in einem gelungenen Dialog mit dem ungewöhnlichen Raum in Szene gesetzt. Zwar dominiert der ernste Ton, doch sorgt das Arrangement auch für einige leichtere Momente der Besinnlichkeit. Der gebürtigen Usbeke Victor Brim (*1987) dokumentiert mit seiner Video-Installation im Cinemascope-Format gleich im Eingangsbereich ein global bedrohliche Ökologiesetting am Beispiel des Diamantbergwerkes „Mir“, das sich ironischerweise mit „Frieden“ übersetzt. Für das ursprünglich 1957 als Tagesabbau konzipierte Bergwerk ist ein erschreckend großer Krater ins Erdreich gegraben worden, den eine beachtlichen Siedlung umgibt, die ebenfalls der Natur das wertvolle Erdreich entreißt. Brim illustriert des Weiteren in seinem Künstlerbuch die Maßlosigkeit von Russlands größtem Diamantbergwerk sowie dessen Raubbau an der Natur.
Das mittlere Ausstellungsareal mutet bloß im ersten Moment politisch weniger aufgeladen an. Cèline Berger (*1973) analysiert in ihrem Film die visuellen und sprachlichen Strukturen der heutigen Arbeits- und Unternehmenswelt. Was die Französin 2012 auch in einem Workshop behandelte, mit der Frage danach, ob und wie Unternehmen sich der Kreativität von Künstlern zu nutze machen können. Anna Ehrenstein (*1993) spielt in ihrer recht umfangreichen, auch farblich intensiven Präsentation „A Lotus Is A Lotus“ mit Insignien westlicher und östlicher Kulturen, die letztlich global-kapitalistische Strategien. Großformatige Textildrucke illustrieren das in realistischen, teilweise miteinander verschmelzenden Darstellungen, kinetische Tableaus eröffnen je nach Blickwinkel das eine oder das andere Sujet im Wechselspiel.
Kontrapunktisch zu all den bild- wie klangintensiven Beiträgen fordern die stummen Lautsprecher von András Blazsek (*1984) geradezu das akustische Vorstellungsvermögen des Betrachters: der gebürtige Slowake hat sie nämlich aus Gips geformt und an der Wand installiert. Reliefs illustrieren zwei sich überlagernde Sinuswellen. Vergleichbare Imaginationskraft verlangt die minimalistische Stoffarchitektur von Søren Siebel (*1981): Er hat quer durch den schlauchartigen Raum schwarze Dreieckstücher gespannt, die sozusagen als Kulisse für die Tanzperformance des Zentrums für Zeitgenössischen Tanz Köln dienten, in denen die Tänzer zu Kompositionen von Søren Siebel auftraten. Texttafeln mit choreographischen Anweisungen fungieren außerhalb der Veranstaltung sozusagen als Platzhalter für die Performer, mögen die Phantasie des Betrachters beflügeln.
Artikelbild: Kerstin Ergenzinger, Pluvial, 2019. Foto: Ivo Faber