Charlotte Posenenske

Charlotte Posenenske


Uta M. Reindl über „Charlotte Posenenske: Work in Progress“ im K20, Düsseldorf, bis 2.8.20

Einen geradezu theatralischen Auftritt haben im Klee-Saal von K20 Wellpappe-Skulpturen in Gestalt von Lüftungsrohren. Diese im Licht der symmetrisch installierten Deckenbeleuchtung streng choreographierte Werkgruppe trägt dazu noch den wenig poetischen Titel „Vierkantrohre Serie D“ und „Vierkantrohre Serie DW“ (1967).  Unübersehbar mit Gebrauchsgegenständen aus der Bauwelt assoziierbar und auch in galvanisiertem Stahlblech variiert, dürfte diese skulpturale Arbeit aus modularen Vierkantrohren ein Markenzeichen für die minimalistische Kunst Charlotte Posenenskes sein. Als „work in progress“ zeigt der Düsseldorfer Überblick nun das Oeuvre der 1930 geborenen und 1985 verstorbenen Künstlerin mit dieser eigenwillig in Szene gesetzte Formation – umgeben von den „Drehflügeltür“- Objekten der„Serie E“, von reinbunten Wandobjekten aus Metall, von frühen Papier- und Spachtelarbeiten der stets subversiv, aber auch zutiefst demokratisch denkenden Künstlerin. Die besondere Qualität Posenenskes vermag die in Kooperation mit der Dia Art Foundation New York entstandene Präsentation in Düsseldorf ganz gut zu vermitteln.

Charlotte Posenenske: Work in Progress, Installationsansicht im K20, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Foto: Achim Kukulies

Posenenskes zunächst kühl anmutende Kunst hat nämlich stets auch spielerische Züge, weil die industriell-funktional auftretenden Skulpturen durchaus mal wesenhafte Züge annehmen. Ausstellungen von Charlotte Posenenske konnten partizipativ sein, wenn der Besucher etwa die Vierkantrohr-Skulpturen selbst anders zusammschrauben durfte. Die Düsseldorfer Inzenierung sieht im Sinne ihres Untertitels „work-in-progress“ im Laufe der Ausstellungswochen kleinere Veränderungen vor: einige Exponate werden ausgetauscht oder anders platziert werden. Vor allem aber macht sie auf ein wichtiges Detail in Posenenskes Werdegang aufmerksam, der mit dem Studium bei bei dem Garfiker und Bühnebildner Willi Baumeister sowie einer bühnenbildnerischen Ausbildung begann, dem sich sodann extrem produktive zwölf Jahre anschlossen, in denen das Oeuvre Posenenskes im Wesentlichen entstand.

Charlotte Posenenske: Work in Progress, Installationsansicht im K20, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Foto: Achim Kukulies

Neben den Rohrskulpturen oder den teilweise begehbaren Flügeltür-Installationen faszinieren die Spielarten der reinbunten, meist monochrom lackierten oder gespritzten Wandobjekte, die „Plastischen Bilder“ – ob gefaltet oder gewellt. Einige erzeugen gar im Spiel mit dem Schattenwurf an der Wand eine ganz besondere Wirkung. Manche der Zeichnungen Posenenskes lassen an Bauhaus denken, haben etwas von Fingerübungen in der modernen Abstraktion. Ein Video dokumentiert Posenenskes Mitmach-Aktion im Freien, bei der das Publikum ein schlangenförmiges Plastikobjekt über sich in Umlauf bringt, der experimentelle Super-8-Film und einzige Film Posenenskes „Die Monotonie ist schön“ (1968) zeigt eine höchst schräg-rasante Tour durch eine wenig abwechslungsreiche Flachlandschaft.

Charlotte Posenenske: Work in Progress, Installationsansicht im K20, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Foto: Achim Kukulies

Charlotte Posenenskes internationale Reputation ist nicht vergleichbar mit der ihrer  Kollegen aus der Minimal Art: Donald Judd, Carl Andre etwa. Ob es nun für ihre relativ späte Anerkennung eine geschlechtsspezifische Erklärungen gibt oder gar die eigenwilligen Biografie Posenenskes dafür verantwortlich ist, sei dahingestellt. Was ihre reduzierten, durchaus auch kunstmarktkompatiblen Arbeiten jedenfalls nicht verraten, ist, dass die in Frankfurt arbeitende Künstlerin eine sehr konsequente 68erin war. So zu erfahren in Videos, vor allem in den reichhaltigen Vitrinendokumentationen. Posenenske verachtete die kapitalistische Dimension des Kunstmarktes. Nach vergeblichen Bemühungen ihre Kunst nachhaltig zu vermitteln, zu sozialisieren stieg sie in einer unnachahmlichen Konsequenz aus der Kunstwelt aus und wandte sich der Soziologie zu. Dies geschah symbolträchtigerweise 1968.

 Charlotte Posenenske mit „Drehflügel Serie E“, Flughafen Frankfurt am Main, 1968, © Courtesy Nachlass Charlotte Posenenske, Frankfurt am Main, Mehdi Chouakri, Berlin, Peter Freeman, Inc., New York, Konrad Fischer, Düsseldorf, Sofie Van de Velde, Antwerpen und Take Ninagawa, Tokio. Foto: Gabriele Lorenzer-Walther

Eine gelungene Pointe der Düsseldorfer Ausstellung ist im Übrigen das im Klee-Saal förmlich in Richtung Treppenhaus rankende Vierkantobjekt der Serie D (1967/2018), als wollte es den Weg zur ersten Etage weisen, wo in der neu gehängten ständigen Ausstellung drei weitere Wandskulpturen Posenenskes aus der Kollektion der Kunstsammlung in der exquisiten Nachbarschaft zu sehen sind.
Für Kinder lohnt sich der Ausstellungsbesuch allemal, denn sie erhalten für ihren Rundgang dort ein niedliches Bastel-und Malköfferchen, was sie leider nicht mit nach Hause nehmen dürfen, wohl aber ihre eigene, von der Kunst Posenenskes inspiriertes Kreation.

Die Ausstellung hat mehrere Stationen: Dia Art Foundation, New York; MACBA Barcelona, Mudam Luxembourg – Musée d`Art Moderne Grand-Duc Jean.

Artikelbild: Charlotte Posenenske: Work in Progress Charlotte Posenenske, „Vierkantrohre Serie D“, galvanisiertes Stahlblech, Flughafen Frankfurt, 1967, © Nachlass Charlotte Posenenske; Courtesy Nachlass Charlotte Posenenske, Mehdi Chouakri, Berlin, Konrad Fischer, Düsseldorf, Sofie Van de Velde, Antwerp, Peter Freeman, New York and Take Ninagawa, Tokyo.


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