Welcome to the Jungle

Welcome to the Jungle


Nelly Gawellek über „Welcome to the Jungle“ in der Kunsthalle Düsseldorf, bis 21.5.

Urwälder, tropische Landschaften, fremde Kulturen – was noch vor einigen Jahrzehnten den Begriff „Exotik“ prägte, ist in unserer globalisierten Welt sehr viel näher an uns herangerückt. Gespräche über Rucksackreisen durch Südostasien sind gängiger Party-Talk, die sich daraus entwickelnden ethischen Debatten auch: Ist es ok, einen Langstreckenflug zu machen? Womöglich noch in ein Land mit einem fragwürdigen politischen Regime? Und welche Auswirkungen hat unser Tourismus eigentlich auf die bereisten Länder? Ganz schnell hat man sich in einem unübersichtlichen Dickicht aus moralischen Imperativen und widersprüchlichen Informationen verheddert.

Genau an diesem Punkt startet die Kunsthalle Düsseldorf mit ihrer aktuellen Ausstellung, die auf „jene Zustände und Paradoxien (hinweist), in die wir uns verstricken, während wir versuchen, das Richtige zu tun“. Auch im Alltag ist unsere Haltung ständig auf dem Prüfstand und gerade von der Kunst wird oft erwartet, dass sie sich – aus ihrem vermeintlich autonomen Raum heraus – zur Welt positioniert, vielleicht sogar moralische Orientierungshilfe leistet.

Kristina Buch „One of the things that baffles me about you is that you remain unmurdered.”, 2012-2016, HD-Film, Farbe 24’40’’, Großformat Süddeutsche Zeitung (zensiert und unzensiert), E-Mails, Foto: Johannes Buch

Vorgeführt wird das zum Beispiel in der Arbeit von Kristina Buch, die sich ungeplant von einer Performance zu einer Langzeitstudie entwickelt hat. Eigentlich wollte die Künstlerin für die Dauer einer Ausstellung mit einem Huhn im Museum leben, um es zur Finissage gemeinsam mit den Gästen zu verzehren. Moralische Bedenken führten allerdings zur Absage durch die Institution – und damit auch dazu, dass das Huhn schließlich mehr als zwei Jahre bei ihr lebte. Das dabei entstandene Bildmaterial sollte wiederum als Beilage in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht werden, der von der Künstlerin vorgegebene Titel („One of the things that baffles me most about you, is that you remain unmurdered“) wurde jedoch von der Redaktion gestrichen. Die Auseinandersetzung zwischen Kristina Buch und der Redakteurin ist in der Ausstellung nachzulesen und ein wunderbares Beispiel dafür, welches Konfliktpotential schon in einem vermeintlichen Detail stecken kann.

Das „Fumoir“ von Laura Lima, in welchem Besuchern diverse Rauchwaren angeboten werden, stellt die Institution Kunsthalle vor ein ähnliches Dilemma. Fast schon aufsässig wirkt das Rauchen im öffentlichen Raum in Zeiten des Nichtraucherschutzgesetzes und fängt den Moment ein, in dem die Freiheit der Kunst auf institutionelle Regeln trifft. Man erinnert sich an die hitzigen Debatten während der Einführung des Gesetzes, in denen die individuelle Autonomie und das Allgemeinwohl gegeneinander antreten mussten. Noch so eine vermeintliche Kleinigkeit…

Laura Lima, Fumoir, 2009, 2018 Version Installationsansicht Kunsthalle Düsseldorf, Courtesy: Die Künstlerin und A Gentil Carioca, Foto: Katja Illner

Die beiden Kuratorinnen Jasmina Merz und Anna Lena Seiser haben durchweg starke Arbeiten wie diese beiden ausgewählt, die ihre Botschaften nicht aufdrängen, sondern die den Betrachter über ihre ästhetische Wirkung einwickeln. In einer monumentalen Projektion verschmelzen die farbenprächtigen, reportageartigen und psychedelisch-fantastischen Bilder in Mario Pfeifers Video-Installation „Corpo Fechado“. Zwischen Dokumentation und Fiktion stellt er verschiedene spirituelle Kulte der afro-brasilianischen und indigenen Bevölkerung in Brasilien vor und setzt diese in Beziehung zu den gesellschaftlichen Bedingungen. Er thematisiert damit einerseits die Bedeutung von Spiritualität und Glaubenssätzen als Orientierungshilfe für das individuelle Leben, aber auch die Auseinandersetzung über den richtigen Glauben auf politischer Ebene, für die die Verdrängung indigener und afrikanischer Kulte aus der religiösen Agenda des katholischen Brasilien beispielhaft steht.

Man möchte in den berauschenden Bildern versinken, stolpert aber immer wieder über Kieselsteine, die in einem schräg über den Boden eingezogenen Gitter stecken. Die Installation von Cinthia Marcelle, die letztes Jahr im brasilianischen Pavillon auf der Venedig Biennale zu sehen war ist harsch, sie stört die ungehinderte Bewegung durch den Raum und ist dabei gleichzeitig ein beeindruckendes räumliches und körperliches Erlebnis, das die Perspektive auf den schon oft durchwanderten großen Saal der Kunsthalle verrückt.

Installationsansicht „Welcome to the Jungle“, Kunsthalle Düsseldorf 2018, Foto: Katja Illner

Etwas unbeholfen steht Oto Hudec mit seiner Loop Machine und verschiedenen Musikinstrumenten in der Landschaft und bringt Gletschern, Pinien oder Maisfeldern ein Ständchen, wie ein verliebter Teenager. Wir sind gerührt, aber auch ein bisschen eifersüchtig, denn auf einmal stehen wir nicht mehr im Mittelpunkt. Unsere Umwelt, die wir zur Kulisse degradieren und die sich unseren logistischen und wirtschaftlichen Anforderungen, ja auch unseren Hobbies unterzuordnen hat, nimmt unseren angestammten Platz ein, wird unterhalten und umworben und der Betrachter selbst bildet den Bühnenhintergrund. Toll integriert sich eines dieser Videos in eine Installation von Alvaro Urbano, ein in Do-it-yourself Manier nachgebauter klaustrophobischer Büro-Korridor, aus dem wir gottseidank mithilfe von Notausgang-Schildern wieder flüchten können.

Eine Exit-Strategie für das globale moralische Gewirr kann diese Ausstellung nicht liefern und es ist schön, dass sie sich auch gar nicht darum bemüht, denn dadurch entsteht ein sehr offener und unverkrampfter Raum, in dem sich eben nicht, wie leider in vielen anderen Ausstellungen, eine kuratorische Agenda in den Vordergrund drängelt. Wir finden uns stattdessen unmittelbar wieder in der Unübersichtlichkeit, die die verschiedenen Arbeiten darstellen. Dass es sich bei diesem „Wir“ um eine äußerst privilegierte Minderheit handelt, hinterlässt manchmal ein merkwürdiges Gefühl, mit dem der Besucher in der Ausstellung allein bleibt. Auch dass die zeitgenössische Kunstszene so wahnsinnig global ist – die Künstler der Ausstellung kommen aus Deutschland, der Slowakei, aus China, Spanien, Brasilien und Japan – aber gleichzeitig immer noch recht exklusiv funktioniert, kommt in der Reflektion etwas kurz. Das kann man ein kleines bisschen schade finden, vielleicht liegt die Kritik aber auch in der Natur der Sache: auch für eine Institution bleibt es am Ende fast unmöglich, auf allen Ebenen „das Richtige“ zu tun.

Artikelbild: Oto Hudec Concert for Adishi Glacier, 2017, Still aus HD-Video, Courtesy Gandy Gallery


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