Ein Geist in der Maschine


Oliver Tepel über „Konrad Klapheck. Bilder und Zeichnungen“ im Museum Kunstpalast, Düsseldorf, bis 4.8.13

Der Weg in die Avantgarde schien verbaut, als Professor Bruno Goller 1955 in der Düsseldorfer Kunstakademie dem 20 jährigen Studenten Konrad Klapheck den Rat gab, Stilleben zu malen. Sein Versuch über eine Schreibmaschine hatte zwar den Lehrmeister begeistert, aber Dinge auf Leinwand verhiessen in den Zeiten der gegenstandslosen Kunst kaum Aussicht auf Reputation oder gar wirtschaftlichen Erfolg. Und doch findet sich die Schreibmaschine nun in einer retrospektiven Ausstellung Klaphecks Werks im Museum Kunstpalast in Düsseldorf. Tatsächlich, schon jenes früheste Frühwerk deutet nichts an, sondern es offeriert eine komplette künstlerische Vision in detaillierten und doch effektvoll geglätteten Formen aus denen ein immaterielles, zuleich gespenstisch präsentes, Wesen lugt. Eine kühle Malerei im Sinne Magrittes, ihr Feuer verbergend oder es nur im schimmernden Glanz der Flächen andeutend. Allein die Perspektiven sollten noch dramatischer werden und statt der eingefügten Vignette eines Schlosses, schmückten Klaphecks Objekte bald die geletterten Retro-Signets ihrer Hersteller. So wurde er der „Maschinenmaler“. Geräte, nicht antike Mythologie, verkörpern die Bedeutungen. Statt der gekränkten Medea, eine spitznadelige Nähmaschine, statt Zeus in seinen Inkarnationen, eine Reihe geöffneter Fahrradklingeln. So schuf Klapheck seine eigene Ikonographie und verschaffte sich ab 1960 international Renommee.

Zwei übergroßformatige Werke, „Autobiographie“ von 1983, welches das legendäre Star-Motorrad in riesenhafter Dimension zeigt und das über sieben Meter breite „Im Zeitalter der Gewalt II“ (1995) mit seinen Baufahrzeugen, eröffnen die Ausstellung und überwältigen den Betrachter nachdrücklich. Man setzt sich, vergleicht das erstere Werk mit der ebenfalls gezeigten 1:1 Vorzeichnung, bewundert die Präzision und das, was dahinter flackert. Oder man versteht anhand eines Klapheck Zitats an der Wand die beängstigenden Verzerrungen seiner Gegenstände als Anwendungen des goldenen Schnitts. Monster, geboren aus der idealisierenden Form. „Welch eine Verdichtung der Moderne“, mag der Skeptiker denken und dabei das Spielerische in Werk und Titeln übersehen. So rückten manche Arbeiten aus den 60ern, in denen Klapheck verschiedne Gegenstände sinnbildlich arrangiert, deutlich in Pop Nähe. Doch bald regiert wieder jene beredte Nüchternheit, die ihn als einen der wenigen deutschen Surrealisten und zugleich auch Chronisten der Industriezeitalters ausweist.

Ein künstlerisches Credo, was so stark wirkt, daß im letzten Raum mancher völlig unvorbereitet auf jene Motive trifft, die seit 1997 Klaphecks Schaffen enorm erweiterten: Menschen! Bilder von Thelonious Monk, Billie Holiday, Rahsaan Roland Kirk und anderer Jazzgrößen, Boxringszenerien, „Maler und Model“ sowie eigentümliche erotische Alltagsszenen, nicht weniger surreal anmutend, als seine Objekte. Ihre Figuren erscheinen als Geschwister der Maschinen, distanziert und leicht verzerrt in einer Welt, die eigenen Gesetzen gehorcht. Doch auch hier findet der Blick unmittelbaren Zugang, etwas hallt wider und seien es die Tapeten an den Wänden oder die Bassdrum der Jazzband, welche assoziative Reisen in die Erinnerung anregen und am Ende fragen, ob die Erfahrungen der Menschen nicht im Kern genau jene aus Klaphecks Bildern sind: Ungreifbar, bedrohlich und schön zugleich.


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