Susanne Paesler


Sabine Elsa Müller über „Susanne Paesler. Werke/Works 1991 – 2006“ im Kunstmuseum Bonn, bis 5.6.2016

Das Interesse für Dekor und Ornament gehört seit der Romantik über den Jugendstil bis heute zur Forderung nach einer Kunst, die alle Bereiche des Lebens einschließt. Hinter der Idee einer Durchdringung von Kunst und Alltag steckt womöglich der stärkste Wunsch nach Überhöhung und Überzeitlichkeit. Auch Susanne Paesler konnte sich offenbar nicht mit dem Nischendasein der einsamen heroischen Geste zufrieden geben. Verschiedentlich nannte sie als Antriebskraft ihrer Kunst ihr Interesse an einer Verbindung der „Reinheit abstrakter Malerei mit gegebenen, konkreten Situationen“.

Das klingt vielleicht weniger spektakulär, als es die sehr speziellen Ergebnisse dieser Wiederentdeckung tatsächlich sind. Die Schau setzt 1991 ein, als die 1963 in Darmstadt geborene Künstlerin gerade ihren Abschluss an der Frankfurter Städelschule bei Thomas Bayrle macht. Und sie endet 2006. Da stirbt die inzwischen nach Berlin übergesiedelte Malerin mit 43 Jahren an Krebs. Was sich in diesen fünfzehn Jahren anhand von etwa 40 Arbeiten als künstlerische Entwicklung nachvollziehen lässt, gibt nicht nur Veranlassung, den vorzeitigen Abbruch einer großen Karriere zu bedauern. Das in dieser kurzen Zeit entstandene Werk liefert genügend Argumente, um zehn Jahre nach ihrem Tod die zu ihren Lebzeiten mit nicht wenig Aufmerksamkeit bedachte Künstlerin in die Malereidebatte zurückzuholen.

Den Auftakt machen eigenartige Stoffbilder, die nicht das Geringste mit den bekannten Stoffbildern von Polke oder Palermo zu tun zu haben scheinen. Paesler zieht keine Konfektionsware über Keilrahmen, sondern malt in akribischer Trompe de l´Oeil-Malerei Bilder mit über Kreuz gelegten Streifen aus feinen Lack-Lasuren, die sich wie gemalte Weberei „anfühlen“. Tatsächlich spielen diese lapidaren Karos dem haptische Empfinden einen ziemlichen Streich, da ihre stoffartige Anmutung von nahem mit der glasig-harten Malerei kollidiert. Als Bildträger verwendet sie Aluminium – gelegentlich auch MDF – auf dem sich die Textur flach und ohne jede Körperlichkeit ausbreitet. Als Bilder von Kleiderstoffen haben die Tafeln einen Bezug zur Alltagsästhetik der Pop Art, gleichzeitig rücken sie in vorwitzige Nähe zur Großen Abstraktion. Sie thematisieren den Körper inhaltlich als ihm zugehörig und nivellieren ihn als Malerei, als hätte er nie existiert.

Susanne Paesler, die sich in Interviews und in ihren Statements immer sehr klar und reflektiert äußerte, berichtete davon, wie sie den Stil des Malers Willi Baumeister, bevor sie überhaupt seine Bilder zu sehen bekam, zuerst als „Zweitverwertung“ im Design eines Vorhangs für sich entdeckte. In ihrer Malerei holt sie die von der Alltagswelt einverleibten ästhetischen Codes in die Abstraktion zurück. „Ohne Titel (Pollock)“ von 1999 ist so ein Beispiel der Anheizung des Neunzigerjahre Malereidiskurses per Eigenblutdoping: Auch wilde Farbspritzer lassen sich per illusionistischer Malerei täuschend echt imitieren. Am seltsamsten aber sind die gemalten Rahmen. Wenn auch der Rahmen nur gemalt ist, gehört er dann zum Bild, oder trennt er sich so sehr optisch davon ab, dass die Malerei sich in etwas anderes verwandelt? Der Rahmen bekommt eine Zwitterstellung zwischen Wand und Bild und zieht das Hauptaugenmerk derart auf sich, dass er sich als Malerei vor das „eigentliche Bild“ schiebt. Paesler geht wieder einen Schritt weiter, wenn sie die Berliner U-Bahn als allgegenwärtige Stadtmöblierung zum Malanlass nimmt und das blau-rot gesprenkelte Camouflage-Muster der Sitzbänke imitiert. In seinem kastenartigen Rahmen wird aus dem biederen Design ein Kommentar zur gestischen Malerei im Großformat von 1,50 x 1,50 m, eingezwängt wie in einem Musterbuch. Der muffige Charme des öffentlichen Nahverkehrs wird zur Chiffre für eine Malerei, deren Anspruch auf Selbstentäußerung und Unmittelbarkeit sich erledigt hat.

Nach einer Neuseelandreise entstehen ab 2001 die sogenannten „moonshine paintings“, in denen gestische Pinselschwünge mit einer geometrischen Kreisform kombiniert werden. Kneift man etwas die Augen zusammen, wirkt das Ganze tatsächlich wie eine Miniaturlandschaft bei Vollmond. Was gegen diese Lesart spricht, ist allerdings die Farbgebung: Pastellige Farben und eine große Palette von Hauttönen schieben sich mit einer süßlichen Aufdringlichkeit in den Vordergrund. Die Wahrnehmung verstrickt sich in dieser Ambivalenz zwischen distanzierter Naturbetrachtung und einer kaum auszublendenden Ausstrahlung sinnlicher Nähe und Intimität.

Susanne Paesler hatte eine Ausbildung als Grafikdesignerin hinter sich, bevor sie zur Kunst wechselte. In ihren letzten Jahren wählte sie häufig einen grafischen Bildaufbau unter Verwendung von Schablonen, die sie am Rechner entwickelte. Ihr Interesse verlegte sich auf den Zusammenhang zwischen Malerei und digitaler Bildproduktion. Sie entdeckte, wie stark die Mal- und Zeichenprogramme durch traditionelle handwerkliche Vorgaben geprägt sind und ihrerseits wieder auf das Medium Malerei zurückwirken. Auf den neuen Arbeiten werden Pinselstriche extrem vergrößert und in Pixel zerlegt. Gleichzeitig thematisiert sie die Signatur, die wie der Rahmen als äußerliches Merkmal des Bildgegenstandes in die Malerei einbezogen wird. Die Arbeiten werden groß wie Reklametafeln, haben aber ein für Werbeflächen völlig untypisches, quadratisches Format. Ihr letztes vollendetes Werk, das sich wie auch einige malerisch ungemein subtil ausgearbeitete Arbeiten aus den letzten Jahren im Besitz des Museum Ludwig befindet, ist eine große Überraschung: Auf dem zwei mal zwei Meter großen Aluminiumträger schweben geometrische, wie aus Seidenpapier ausgeschnittene, sich teilweise überlappende Formen in transparenten, leuchtenden Farben auf weißem Grund. Sie hängen an filigran geschwungenem Linien mit Anklängen an den Jugendstil, die sich in die Bildtiefe staffeln. Dekor und Ornament trumpfen auf. „Ohne Titel“ von 2006 hinterlässt als letztes Bild der Ausstellung einen sehr heiteren Eindruck der Versöhnung zwischen Kunst und Alltagsästhetik.

Wen nach dem Besuch der Bonner Ausstellung diese kühlen und dabei gleichzeitig so direkten Bilder ebenfalls nicht mehr los lassen sollten, dem sei der Catalogue raisonné wärmstens empfohlen. Erschienen 2014 im Verlag Walther König, Köln.
Ein Katalog zur Ausstellung ist in Vorbereitung.


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