Besprechung Gabriel Lester - Haegue Yang

Besprechung
Gabriel Lester – Haegue Yang


Noemi Smolik über „Follies, Mehrfach“ im Bonner Kunstverein, bis 23.11.

Film und Theater zeichnen sich dadurch aus, dass sie den Betrachter eine andere Wirklichkeit als die eigene vermitteln. Der Zuschauer befindet sich gleichzeitig in zwei Welten: der eigenen als Betrachter und der des filmischen oder theatralischen Geschehens. Mit diesen zwei Realitäten, ihren Wechselwirkungen, Überschneidungen und Grenzen spielt die raffinierte Ausstellung von Gabriel Lester und Haegue Yang im Bonner Kunstverein.

Haegue Yang_VIPÔs Union

Haegue Yang, VIP’s Union, 2001/2014 Installationsansicht, Bonner Kunstverein, 2014, Photo: Simon Vogel, Courtesy die Künstlerin

Auf „Follies“, also die kleinen exzentrischen Bauwerke der Gartenkunst, die in ihrer Verrücktheit die Phantasie anregen sollen, trifft der Besucher hier gleich mehrfach. Im großen Raum des Kunstvereins steht man vor einer spiralartigen Anordnung verschiedener Stühle und Tische, die, wie auf einer Bühne darauf zu warten scheinen, bespielt zu werden. Es sind Möbelstücke prominenter Bürger der Stadt, die sich die in Korea lebende Künstlerin Haegue Yang für die Dauer der Ausstellung ausgeliehen hat. Unter dem Titel „YANGs VIP’s Union“ startete sie eine ähnliche Aktion auch bereits in Berlin und Antwerpen. Doch wer ist ein VIP in Bonn? Jemand, der etwas in der Stadt bewegt, so die Künstlerin. Etwa die Stühle der Frauen, die in Bonn den Esstisch für Obdachlose stemmen, von Wissenschaftlern, Nobelpreisträgern, von Künstler, Literaten, Kritikern, Politikern und dem Bürgermeister kamen so zusammen. Fast schon meint man die Beamtenstadt Bonn in dieser Zusammenstellung eher braver Stühle und Tische zu erkennen, doch hin und wieder sticht Extravagantes, Mobiliar heraus, wie die aus einem Baumstamm ausgehöhlte Bank eines Kinderpsychiaters. Stühle und Tische sind von Yang zu malerischen Gruppen angeordnet, die betrachtet werden können oder auf denen man Platz nehmen und somit selber zur Inszenierung werden kann.

Haegue Yang_Boxing Ballet

Haegue Yang, Boxing Ballet, 2013 Installationsansicht, Bonner Kunstverein, 2014, Photo: Simon Vogel, Courtesy die Künstlerin

Auch der hintere Raum des Kunstvereins bietet eine Bühnensituation, die dem Besucher die Wahl lässt zwischen Zuschauer und aktivem Spiel. Inspiriert von den Kostümen aus Oskar Schlemmers „Triadischem Ballett“ aus dem Jahre 1922 hat Yang Figurinen auf fahrbare Gestelle montiert und mit hunderten goldener Glöckchen behängt, wie sie Tänzer in Ostasien bei rituellen Handlungen tragen. Erinnern Schlemmers Figuren aufgrund ihrer schwerfälligen Kostüme an Maschinen, so stehen uns in Yangs „Boxing Ballett“ zauberhafte, elegante Gestalten gegenüber, die sich zum Tanzen auffordern lassen.

Haegue Yang_Boxing Ballet (3)

Haegue Yang, Boxing Ballet, 2013 Installationsansicht, Bonner Kunstverein, 2014, Photo: Simon Vogel, Courtesy die Künstlerin

Die Wände, ebenfalls angelehnt an Schlemmers Ballett in rosa, gelb und schwarz gestrichen, bilden die Kulisse, gemeinsam mit gerahmten geometrischen Figuren aus Millimeterpapier, Sandpapier und abziehbaren Klebebänder von Briefumschlägen.
Nicht zufällig erinnern Muster, Materialien und Farben dieser Rauminszenierung an die Dekorationen buddhistischer Tempel, einem Ort für die Inszenierung kultischer Handlungen und der Erfahrung einer anderen Realität.

Das Theatralische verbindet Yang mit dem holländischen Künstler Gabriel Lester. Mit seiner atmosphärischen Installation „How to Act“ (1999-2014) schafft auch er eine Bühnensituation. Licht und Pflanzen bestimmen hier den Handlungsraum ohne unmittelbare Aufführung.

Gabriel Lester_How to Act

Gabriel Lester, How to Act, 2007-14 Installationsansicht, Bonner Kunstverein, 2014, Photo: Simon Vogel, Courtesy der Künstler und Galerie Fons Welters, Amsterdam

Das Mis en Scène ist ein Vorgehen, das dem Theater entnommen ist und immer häufiger in der zeitgenössischen jungen Kunst auftaucht. Einst von Michael Fried in seinem 1967 veröffentlichten Text „Art and Objecthood“ scharf kritisiert und als Strategie, die mit der Moderne nicht zu vereinbaren sei, abgelehnt, zieht es heute viele jungen Künstler und Künstlerinnen gerade wegen dem an, was Fried attackierte: der Parallelität von Realitäten und die daraus resultierende Aufforderung an den Betrachter, zwischen diesen Wirklichkeitsebenen zu wechseln und eigene Erfahrungen und Phantasien ins Spiel zu bringen. Der Betrachter mit seinen eigenen, unkontrollierbaren Vorstellungen löste bei Fried Furcht aus und griff den Anspruch der Moderne an ein universelles Kunstwerk mit eindeutigen Aussagen an.

Gabreil Lester_How To Act (2)

Gabriel Lester, How to Act, 2007-14 Installationsansicht, Bonner Kunstverein, 2014, Photo: Simon Vogel, Courtesy der Künstler und Galerie Fons Welters, Amsterdam

Diese Erweiterung des Werkes um die unvorhersehbaren Bilder des Betrachters verfolgt Lester auch mit seiner Bühne, in deren Decke Hundert Lichtstrahler angebracht sind. Sie werfen in unterschiedlichem Rhythmus und in zahlreichen Kombinationen rot, grün, blau, lila, gelb oder weiß verfärbtes Licht auf den Schauraum. Das Licht wird von verschiedenen Klängen, Geräuschen, von Ausschnitten aus Filmmusik und klassischer Musik begleitet. Hier ist es dem Betrachter und der Betrachterin überlassen, in das bildlose Geschehen auf der Bühne eigene Bilder von Bedrohung, Freude, Stille, Leichtigkeit, Schwere oder Hoffnung zu projizieren. Bilder, die nur in unserer Vorstellung existieren und als solche relevant sind. Schließlich sind es die eingebildeten Bilder, die zum Handeln motivieren, wusste bereits der Denker Baruch Spinoza im 17. Jahrhundert. Wer der eigenen Phantasie vertraut und gerne spielt, für den ist diese Ausstellung ein Vergnügen.


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