Alte Fragen neu gestellt
Laura Owens im Kunstmuseum Bonn, bis 8.1.2012
Was Laura Owens auszeichnet, ist ihre Haltung gegenüber dem gemalten Bild. Ich fand schon immer, sagt sie, dass man nicht versuchen soll, seinen Tag dem Gemälde anzupassen, sondern umgekehrt, das Gemälde seinem Tag anzupassen. Das was du malst, sollte zu deinem Leben passen.
Wie anders ist diese Haltung im Vergleich zu den heldenhaften Vorstellungen vom Überhöhen des Alltags durch die Malerei, vom Streben nach Absolutem und Zeitlosem, einfach nach Erhabenem, die im 20. Jahrhundert die Auseinandersetzung um die Malerei dominierten.
Doch was passt zum heutigen Leben? Die Verfügbarkeit. Noch nie war es möglich, über so viele Bilder aus verschiedenen Epochen und Kulturen so frei zu verfügen, sie abzurufen, zu sammeln, zu verändern und zu sampeln. Egal ob japanische Holzschnitte, Malerei der Impressionisten oder Kubisten, Comics, alles steht zur Verfügung. Als eine Künstlerin, die in Los Angeles lebt, in einer Stadt, die, was die Verfügbarkeit von Bildern betrifft, geradezu eine Vorreiter Rolle spielte, weiß Owens dies sehr gut. Denn hier traf die europäische Kultur schon immer auf die asiatische, die hohe Kunst auf die Erzeugnisse der Popkultur, was schon Thomas Mann wie Theodor W. Adorno schaudern ließ.
Nicht so Owens, im Gegenteil. In ihrer Malerei setzt sich dieses Aufeinanderprallen verschiedenster Bilder und Welten mit einer beneidenswert nonchalanten Leichtigkeit fort. Manchmal auf der Fläche eines Bildes, manchmal räumlich wie jetzt in ihrer Bonner Ausstellung, die auf drei Räume konzipiert ist. Im ersten Raum sind vier Bilder. Ein in der Farbigkeit eines Henri Matisse – einer der letzten Vertreter einer nicht nur lebensnahen sondern auch lebenbejahenden Malerei – gemaltes Bild, das ein auf einer Decke liegendes Mädchen zeigt, verspielt und romantisch. Demgegenüber ein auf roher Leinwand zum Teil gesticktes Bild, das die abstrakte, von blauer Farbe geprägte Welt Kandinskys in Erinnerung ruft. Romantisch bunte Verspieltheit und strenge Geometrie als Ausdruck einer über der Welt schwebenden Geistigkeit, wie geht dies zusammen? Es geht, vorausgesetzt, es wird durch zwei weitere Bilder neutralisiert. Das eine abstrakt expressionistische, das andere in der Wellengestaltung den Drucken des Japaners Kotsushika Hokusai verpflichtet. Epochen, Zeiten und Kulturen fließen in diesem Raum ineinander, was ein Widerspruch war, scheint keiner mehr zu sein, irritierend ist dieser Raum trotzdem.
Der zweite Raum ist der Frage nach der Zeit gewidmet. Gibt es so etwa wie zeitlose Malerei? Oder ist jedes Bild durch seine Zeit geprägt? In zwei Reihen übereinander zu einem Fries angeordnet zeigt Owens kleine Tafeln, die alle ein Thema haben: das Zifferblatt der Uhr – im übertragenem Sinne, versteht sich. Mal als Gesicht im Stil eines Sigmar Polkes gemalt, mal als kindliche Handabdrücke, mal als abstraktes Raster. Manchmal sogar mit einem Zeiger, der auch schon rückwärtsgehen kann. Jedes Bild steht für seine eigene Zeit, wobei, wie die rückwärts laufenden Zeiger suggerieren, die Zeit nicht unbedingt nach vorne schreiten muss, auch die Gleichzeitigkeit gehorcht hier völlig anderen Prinzipien und wie ist es eigentlich mit der Zeitlosigkeit? Witzig, unterhalsam aber vielleicht ein wenig zu vordergründig ist dieser Raum, in dem auf Tischen noch Skizzenbücher der Künstlerin, diese wie sie sagt, „Speicher all meiner überschüssigen Ideen“, ausgebreitet und zum Blättern freigegeben sind.
Im letzten, dritten Raum dann die hohe Kunst der Malerei. Neun Tafeln sind hier über zwei Wände verteilt. Die erste Tafel unbemalt, dann beginnt die Farbe sich über die Fläche zu verbreiten, nimmt die ganze Fläche in Anspruch, wird zu beeindruckendem blau, rot, violetten Geflechten gemischt und mit Strichen wieder übermalt. In den drei letzten Tafeln tritt die Farbe wieder zurück. Eine kosmische Landschaft breitet sich vor den Augen, eine Seelandschaft, eine rafinierte abstrakte Anordnung. Wie expressiv geladene Striche der abstrakten Malerei muten einige Gekritzel an. Doch dann erfährt man, dass sie vorher am Computer festgelegt und erst anschließend mit dem Pinsel auf die Leinwand übertragen worden sind. Was so expressiv wirkt ist aus reinem Kalkül entstanden – wie befremdlich, wenn man an die Auseinandersetzung über den unmittelbaren Ausdruck des Künstlers und seine Wirkung, die das letzte Jahrhudert bestimmte, denkt. Und genau das ist es, was Owens Malerei so herausragend macht: ihre Fähigkeit, scheinbar abgedroschene Fragestellungen, wie die nach Zeitlosigkeit, Abstraktion oder Expressivität in der Malerei auf spielerische und trotzdem kluge Weise aktuell zu halten.