Peter Zimmer­mann

Peter Zimmer­mann


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Malerei versus Plasmaflachbildschirm. Ein Portrait von Harald Uhr.

Warum nicht mal zur Abwechslung ein wenig über Kontinuitäten im Rheinland plaudern. Neben all der Ratlosigkeit, Neujustierung oder Abwanderungshäme gibt es die nämlich auch. Kontinuitäten, die natürlich ob ihrer steten Fort- und Weiterentwicklung nicht ohne Brüche oder Kursschwankungen rsp. Korrekturen daherkommen und nur ab und an, aber irgendwie viel zu selten in den Fokus geraten. Seit mittlerweile mehr als 30 Jahren lebt und arbeitet beispielsweise der 1956 in Freiburg geborene Peter Zimmermann in Köln. Unmittelbar nach dem Studium an der Akademie in Stuttgart verschlug es ihn in den seinerzeitigen Hot Spot des aktuellen Kunstgeschehens. Die wilde Malerei feierte dort gerade ihre Triumphe und die notwendigen Gegenbewegungen zeichneten sich, wenngleich weniger lautstark, bereits am Horizont ab. Ausgebildet in der Malerklasse bei K.R.H. Sonderborg schloss sich Zimmermann aber eben nicht der Erfolg versprechenden, auftrumpfenden Riege junger Männer an. Warum auch, zeigte doch im selben Jahr Kasper König mit großer Geste in den Düsseldorfer Messehallen, was es alles an Alternativen hier im Rheinland gab. Wenngleich in der Ausstellung „Von hier aus“ etwa auch ‚Die Probleme des Minigolfs in der europäischen Malerei‘ in einem Zyklus von Werner Büttner verhandelt wurden, hatten doch auch strenge Konzeptualisten, Formalisten, Spurensucher, Modellbauer und jede Menge Grenzgänger neben einem Übervater Beuys ihren allseits beachteten Auftritt. Außen vor blieben hingegen die sich gerade erst formierenden Kontext-Künstler, die in den 90er Jahren mindestens in Köln über weite Strecken den Ton angeben sollten. Der Generationenkonflikt zwischen 80er-Jahre-Jungsmalerei und 90er-Jahre-Diskurskunst zeichnete sich am Horizont, wenn auch eher schemenhaft, bereits ab.

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Diercke Weltatlas, 1987, 300 x 200 cm, Öl auf Leinwand

Eben diese Kölner Kunstszene der 80er/90er Jahre diente weit über die Stadtgrenzen hinaus als Muster einer vernetzten Sozialstruktur, was nicht zuletzt in den Nuller Jahren zu ihrer bedenkenswert verklärenden Historisierung beitrug. Im Rückblick liest sich der Sachverhalt, etwa in einem Artikel von Dominikus Müller wie folgt: „Aus der gegenwärtigen Perspektive steter Ökonomisierung von Beziehungen und Identitäten erscheinen die 1990er Jahre in Köln dabei vor allem als eine Zeit, in der das Handeln in Netzwerken und die Arbeit am eigenen Selbst noch im positiven Sinne als (vermeintlich) linkes, emanzipatives und vor allem selbstbestimmtes Projekt gelten konnten.“

Ein Stück weit ließ Zimmermann sich in den Anfängen gerne auf diese vernetzten Strukturen ein und fand auch schnell Anschluss an die kühl argumentierenden Diskurszirkel in den neuen Galerien wie Christian Nagel, Esther Schipper oder Tanja Grunert, wo das Betriebssystem Kunst auf den Prüfstand gestellt wurde und schnell verwandte Seelen, etwa aus Wien, München oder New York zur Stelle waren. Trotz der mitunter kargen Installationen und linguistischen Verzettelungen, auf die ein zunächst rätselndes, da nicht eingeweihtes Publikum in den Galerien stieß, blieb auch die hehre Malerei mindestens als Reibungsfläche nicht außen vor. Sie wurde nur etwas tiefer gehängt und ob ihrer überkommenen Anspruchshaltung befragt. Ende der 80er Jahre stellte Zimmermann daher auch erstmals in den charmanten Hinterhof-Galerieräumen von Tanja Grunert, die er bereits aus Stuttgarter Tagen kannte, seine Buchcovergemälde aus.

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Reiseführer, je, 80 x 48 cm, Epoxid auf Leinwand, 1991-96, Installationsansicht MMKK, Klagenfurt, 2009

Mit Kunstharz und Pigment auf Leinwand fertigte Zimmermann übergroße Bilder etwa von Schulatlanten, Kunstpublikationen, Reclam-Heften und immer wieder Polyglott-Reiseführern. Mögen die Motive allbekannt und banal erscheinen, stehen sie doch auch exemplarisch für unsere Formen der Wissensaneignung und unsere Sehnsüchte, die sich in Ansätzen zumindest zwischen Buchdeckeln einlagern lassen. Thematisiert wird das Bild hierbei in Relation zur Struktur, dem Text, der Massenware und unserer Wahrnehmung in einer spezifisch zeithistorischen Gemengelage. Gestaltungsfragen stehen ebenso zur Disposition wie das aufgerufene wirtschaftliche Gesellschaftsgefüge, welches zum einen die Bilder aber eben auch die Bücher adressiert. Zimmermann situiert sich mit dieser umfangreichen Werkserie in den Diskurs, der die Bedingungen von Kunst im Allgemeinen und ihre Präsentation im Ausstellungsraum im Besonderen reflektiert.

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Peter Zimmermann

Es dürfte auch in diese Kölner Anfangszeit zurückreichen, dass Peter Zimmermann sein Atelier in der Kamekestrasse in Nähe des Stadtgartens bezog, wo er heute noch wirkt und arbeitet. Auch die nachfolgenden Serien von bedruckten Schachteln und Kartons sowie die Plakatreihen und Ausstellungsdisplays werden hier konzipiert worden sein. Ein Pfad schien vorgegeben und in diversen Verästelungen ausbaufähig. Zimmermann richtete den Fokus auf das mitunter diffuse Verhältnis zwischen Text und Bild. In wie weit ließen sich verschriftlichte, durchaus komplexe gedankliche Äußerungen auf skulpturalen oder plakativen Trägermedien unterbringen und wie geht der Betrachter damit um? Kann der aufgedruckte, diskursiv anspruchsvolle Inhalt die herkömmlichen Pappschachtel oder Kartoninstallationen aufwerten und folgt man einem Text auch dann, wenn er sich in der Form unterschiedlichster typographischer Gestaltungen über eine ganze Plakatwand erstreckt? An welcher Stelle reißt der Faden und gewinnt die eher beiläufige oberflächliche rein visuelle Anschauung die Oberhand? In unterschiedliche Ausstellungskontexte und Präsentationsformen ging Zimmermann in der Folge diesen Fragen nach und konzipierte herausfordernde Displays, die nur auf den ersten Blick als vertraut erscheinende Werbeflächen oder Warenansammlungen daherkamen. Mit der Einrichtung einer Art Messestand unter dem Titel „Temporäre Architektur / Präsentation von Schachteln“ auf der Aperto-Ausstellung der Biennale in Venedig im Jahr 1993 erfuhr Zimmermann internationale Beachtung. „Zunächst vollzieht sich die Verschachtelung der Welt im Denken.“, lautete der erste Satz eines Flyers, den Zimmermann der Arbeit beifügte. Bei dieser Installation blieb die Malerei komplett außen vor, eher wurde die Erinnerung an die skulpturalen Arrangements von Warhols Brillo-Boxen geweckt. Deutlich im Vordergrund stand die Auseinandersetzung über die Interaktion mit dem die Kunstproduktion umgebenden System, etwa den Parametern der Rezeption in den Institutionen oder dem Publikum. Aufgerufen waren die Potenziale und Grenzen der Kommunikation in den verschiedenen Bereichen des Kunstbetriebs, der Medien, des öffentlichen Raums oder auch des politischen Feldes und damit, wie Verbindungen hergestellt und auch wieder unterbrochen werden. Diese Werkphase über den Gebrauch von Zeichen und Räumen, über die Konzeption von Repräsentationsinstrumenten und –politiken bis zur Reflexion über die Rolle oder Funktion von Künstlern/Autorschaft und Netzwerke kulminierte schließlich 1998 in einer großangelegten Einzelausstellung im Kölnischen Kunstverein mit dem Titel „Eigentlich könnte alles auch anders sein“.

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TA/PS, Aperto Venice 1993

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Posterwall, 1994, Kunstverein Heidelberg

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Eigentlich könnte alles auch anders sein, Kölnischer Kunstverein, 1998

Erneut und in verstärktem Maße wurde auch hier die Frage der Autorschaft behandelt. Sobald bestimmte formale Fragen geklärt oder Richtungen vorgegeben waren, zog Zimmermann sich aus den Abläufen zurück, wartete gespannt auf die Ergebnisse. Aufträge wurden vergeben, Arbeitsprozesse delegiert und Fachleute diverser Disziplinen mit ins Boot geholt. Bezeichnenderweise gab Zimmermann zusammen mit seiner Frau Natalie Binczek keinen klassischen Ausstellungskatalog heraus sondern einen gewichtigen Reader mit zahlreichen Aufsätzen zum Thema Kontingenz. Ausstellung und Katalog machten deutlich, dass Zimmermanns Auseinandersetzung mit dem Kunstbetrieb neben dem philosophischen Ansatz immer auch ein spielerischer Zug anhaftet.

Schon einige Zeit vor dieser Kölner Ausstellung wurde evident, dass der Einsatz von text- und bildverarbeitenden Computerprogrammen nicht nur Material und Werkzeug, sondern zunehmend auch Thema der Arbeiten Zimmermanns bildete. Eine andere Form von vernetzten Strukturen neben den eingebundenen Personenkreisen war damit aufgerufen und sollte für das weitere Vorgehen bestimmend werden. Gegenüber den Diskursnetzwerken traten in der Folge verstärkt vernetzte Rechenkapazitäten in den Vordergrund. Maßgebend wurde weniger der wohldosierte abwägende Austausch von Gedanken, sondern die Entscheidung einer Maschine zwischen 0 und 1. Damit einher ging eine erneute und massive Hinwendung zur opulenten Malerei. Es könnte eben auch alles ganz anders sein – das Motto der Ausstellung verwies somit auf den sich anbahnenden Richtungswechsel. Zum Teil gründete diese Kehrtwendung sicherlich in einer zu konstatierenden Folgenlosigkeit der gewaltigen Kölner Ausstellungsanstrengung. Trotz eines durchaus bemerkenswerten internationalen Presseechos blieb die Rezeption gerade in Köln eher verhalten. In der Folge eroberten die neuen Hochglanzbilder Zimmermanns zwar große und gewichtige Ausstellungsinstitutionen rund um den Globus, im Rheinland und speziell in Köln blieb die Resonanz jedoch weitgehend aus. Zimmermann wendete sich daher zunehmend einer Praxis der Malerei zu, die sich konsequent den Herausforderungen durch neue mediale Techniken stellt und diese sowohl spielerisch zum Einsatz bringt, als auch theoretisch zu ihren potentiellen kunsthistorischen Referenzen befragt und konstruktiv austestet. Es entstehen abstrakte Bilder über das Bildermachen im Zeitalter digitaler Reproduzierbarkeit.

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pi, 2013, 120 x 150 cm, Epoxid auf Leinwand

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D.R.O.P., 2012, Galerie Perrotin, Hong Kong

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Studioansicht

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Currents, 2008, Columbus Museum, Ohio

In der Frage der Autorschaft bleibt Zimmermanns Haltung jedoch ambivalent. Ausgangspunkt bilden etwa Ausschnitte aus eigenen älteren Arbeiten oder Bildmaterial aus dem Internet, vorgefundene Bildmedien oder Filmstills, gesammelt und thematisch in persönlichen Bilderordnern archiviert. Durch Photoshop weiter verfremdet, druckt Zimmermann ein ästhetisch befriedigendes Ergebnis schließlich auf Folie aus und projiziert es auf eine Leinwand. Nach der Markierung der Umrisse wird das Bild mit Epoxidharz auf die flach gelegte Leinwand gegossen. Über die Jahre hinweg konnte das Verfahren zunehmend verfeinert und perfektioniert werden. Auch skulpturale Gebilde und riesige Boden- Wand- oder Deckeninstallationen entstanden mittlerweile in einer zusätzlichen großen Werkhalle in Ehrenfeld zusammen mit einem stetig angewachsenen Mitarbeiterstab. Zum Teil rekrutiert sich die Riege der Assistentinnen und Assistenten aus ehemaligen Studierenden der Kölner Medienhochschule, wo Zimmermann zwischen 2002 und 2007 eine Professur innehatte.

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stains 309, 2010, 1400 x 700 cm, Epoxidharz, Amtsgericht Düsseldorf

Die immer noch konzeptuelle Herleitung der Bilder ist den Ergebnissen nicht mehr anzusehen. Die mitunter starkfarbigen hochglänzenden Oberflächen erinnern zwar gelegentlich an Referenzgrößen der abstrakten und informellen Malerei, psychedelische Anmutungen eines 70er Jahre Flairs lassen sich nicht von der Hand weisen, deutlich wird jedoch in jedem Fall die Orientierung an die allgegenwärtige verführerisch leuchtende Präsenz von hochauflösenden Bildschirmen jedweder Art. Für den Betrachter wirken die Bilder, als blicke er auf einen übergroßen Plasmabildschirm. Durch eine semitransparente Überlagerung diverser Farbschichten oder ineinander verlaufender Formen wird mitunter zusätzlich eine Art 3D-Optik erzeugt. Wenngleich still gestellt und erstarrt vermitteln die Bilder ihren Entstehungsprozess aus einem Bewegungsfluss heraus. Einer Lieblingsidee Zimmermanns folgend, könnte es sich hierbei um Bilder handeln, die sich selber malen.

sur le motif, 2014, Galerie Perrotin, Paris

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fleece, 2014, 200 x 300 cm, Öl auf Leinwand

Dieses Sich-Messen an den aktuellsten medientechnologischen Errungenschaften der Bildwiedergabe hat in jüngster Zeit eine weitere Volte erfahren. Zimmermann macht sich Programme zunutze, die auf den gängigen Smartphones und Handys zur Bearbeitung von Bilddateien dienen. Aufgenommene Handybilder können dort mit einfachem Knopfdruck retouchiert werden und wirken plötzlich „wie gemalt“. Ein Selfie lässt sich in null Komma nichts in ein impressionistisches oder expressionistisches Porträt verwandeln. Zimmermann nutzt diese technologische Möglichkeit und wendet sie auf Motive aus seinem angesammelten Bilderfundus an. Hierzu greift er jedoch in klassischer Manier auf Pinsel und Palette zurück und überträgt die abstrakten ‚manipulierten‘ Vorlagen in mühevoller Kleinstarbeit auf die Leinwände. Der seinerzeit von dem Theoretiker Hanrou Hou geprägte Begriff des ‚handmade modernism‘ scheint auf Zimmermanns Praxis zuzutreffen, indem er einem tatsächlich handwerklichen Erzeugnis die Kennzeichnung industrieller Perfektion verleiht, welche wiederum das Handgemachte nachahmt. „Handmade modernism“ ist hierbei freilich nicht nur bastlerische Nachahmung bereits existierender Technologien, sondern vielleicht auch die handwerkliche Vorwegnahme von noch zu findenden technischen Lösungen für ungelöste gesellschaftliche Fragen. Denn sicherlich hat die historische Veränderung der technischen Standards und Formate, im Zuge derer durch Computerisierung und Miniaturisierung eine neuartige visuelle Industrie entstanden ist, in nicht unerheblichem Maße zu einer weiteren Erschütterung der Vorstellung davon geführt, was es heute heißt, ein bildender Künstler zu sein. Dieser Frage stellt sich Zimmermann nach wie vor, was sicherlich zu den Kontinuitäten zu rechnen ist, die seine künstlerische Praxis bei all ihren Modifizierungen seit den Anfängen durchzieht. Möglicherweise ist bei der hochgradig reflexiven Herangehensweise Zimmermanns im Verlauf der Karriere ein Moment des kritischen Potentials verloren gegangen. Eine Hinwendung zur Ästhetisierung des Einverstandenseins mag da gemutmaßt werden, beschreibt den komplexen Werdegang aber sicherlich verkürzt, lässt er doch zu sehr außer Acht, dass ein lustvollerer Umgang mit Farben und Formen als Zugewinn verbucht werden kann. Künstler als Produzenten sind eben seit jeher abhängig von dem System, in das sie verwoben sind und von den spezifischen, nicht nur historisch kontingenten Formen der Adressierung und Rezeption. Eine Um- oder Neuformulierung der Autor- oder Künstlerfunktion bedingt daher auch immer neue Betrachtermodi oder auch, damit vielleicht einhergehend, ein Austausch der Publikumsschichten, was zugleich eine imaginäre Verhältnismäßigkeit zu Unbekannten darstellt. Netzwerke jedweder Art müssen dabei entwickelt und können genutzt werden, um Praxis und Theorie zu vergleichen und zu vermitteln. Ob ein Abgleich von Theorie und Praxis bei den Arbeiten von Peter Zimmermann in absehbarer Zeit in Köln möglich sein wird, muss erst mal offen bleiben. Im kommenden Jahr startet jedenfalls eine große Überblicksschau zunächst in Freiburg. Ein wohlmeinender Tipp legt es den rheinischen Ausstellungs-Institutionen hiermit nahe, sich diese Gelegenheit nicht entgehen zu lassen.


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