Wiedereröffnung nach 25 Jahren

Wiedereröffnung nach 25 Jahren


Ein Gespräch mit Ulrich Tillmann über das Klaus Peter Schnüttger-Webs Museum, dessen Eröffnung einst der Einweihung des Museum Ludwig-Neubaus die Schau stahl. Ein Erfolg, der nicht lange währte – schon am nächsten Tag musste das Museum wieder schließen. Am Sonntag öffnet es nun nach 25 Jahren erneut seine Türen.(*) Simultanhalle, 5.-11.9., Eröffnung 4.9., 11 Uhr

Artblog Cologne: Herr Direktor Tillmann, als Sie am 6. September 1986, also vor fast genau 25 Jahren das Klaus Peter Schnüttger-Webs Museum in Volkhoven eröffneten, mussten Sie es einen Tag später „wegen der enormen Folgekosten“ wieder schließen. Was bringt Sie zu der Annahme, dass es diesmal bei der Wiedereröffnung besser läuft?

Ulrich Tillmann: Wir haben ein neues Konzept.

Und dafür haben Sie 25 Jahre gebraucht?

Kunst und Kultur sind keine Fragen der Schnelligkeit sondern in meinen Augen eher der Gründlichkeit, z.B. haben wir lange überlegt, ob wir unseren etwas sperrigen Namen ändern in „Schnüttger-Webs das Museum“. Auch 1986 war unser Konzept nicht falsch, wir haben nur etwas Pech mit unserer Strategie gehabt. Als wir im Mai anfingen, unsere Einladungen zu verschicken war von einem Eröffnungstermin des Museum Ludwig am gleichen Tag noch keine Rede. Erst nach unseren ersten Pressevorankündigungen hängten sich die Verantwortlichen des Museum Ludwig mit ihrer Eröffnung an unseren Termin heran und schöpften durch ihre hervorragende Lage direkt neben dem Hauptbahnhof unsere Besucher ab. Da half auch nicht unser besseres Konzept.

Überflutungssichere Parkplätze?

Na, bei den letzten Jahrhunderthochwassern 1993 und 1995 ist das Museum Ludwig doch fast abgesoffen. Das wäre uns nicht passiert.
Aber zurück ins Jahr 1986. Am nächsten Tag schon wurde uns klar, dass wir gegen die hervorragende Lage des Museum Ludwig nicht anstinken konnten, obwohl wir mit Chorweiler in unmittelbarer Nähe ja auch ein großes Einzugsgebiet hatten. Aber wir erkannten, dass hier noch lange Überzeugungsarbeit notwendig war und haben deshalb kurz und radikal die Konsequenzen gezogen und das Museum geschlossen, vorübergehend geschlossen! Stattdessen haben wir mit zahlreichen Vorträgen und kleinen Veranstaltungen Bildungsarbeit betrieben und unsere Interessiertengemeinde um 100 Prozent steigern können, das Museum Ludwig hat hingegen seine Besucherzahlen aus dem ersten Jahr nie mehr erreichen können.
Inzwischen wissen wir auch, dass das Museum Ludwig zum 25. keine Gegenveranstaltung zu uns plant.

Ihre Wiedereröffnung ist ja zuerst einmal auf eine Woche begrenzt, das strahlt nicht große Zuversicht aus?

OK, wir sind etwas vorsichtiger geworden, Ziel bleibt allerdings die dauerhafte Etablierung des Klaus Peter Schnüttger-Webs Museums an einem zentralen Ort wie Rom, Buenos Aires, Peking oder Halberstadt. Köln ist aber weiter eine Hauptoption. Hier haben wir an die Übernahme des neuen Kultuzentrums am Neumarkt gedacht. Sobald die erste Besuchereuphorie beendet ist, das Budget knapp wird und die Digitaldidaktikcomputer ihren Geist aufgeben, stehen wir bereit. Das kann nicht mehr so lange dauern.

Warum überhaupt Köln?

Solange man die Archäologische Zone in Köln mit den Ausgrabungen in Rom vergleicht, und die Nachbarn sich auf die Frage „Wat soll dat denn sein?“ mit der Antwort „Das ist Kunst“ begnügen, hat das Klaus Peter Schnüttger-Webs Museum in Köln die größten Chancen. Deshalb hängen auch viele Künstler immer noch an Köln – kein Maßstab viel Phantasie.

Wie gefällt Ihnen denn das neue Rautenstrauch-Joest Museum und was halten Sie von den anderen Museen in Köln?

Ein Kunsthistoriker hat mir gegenüber mal das RJM als Didaktikhölle bezeichnet. Das Klaus Peter Schnüttger- Webs Museum könnte man dagegen eher als Zengarten einordnen. Das Museum Ludwig hat dank des unkonventionellen Führungsstils von Kasper König die besten Überlebenschancen, obwohl der Zugang über den Heinrich Böll Platz meistens von 6 uniformierten Wachleuten abgeriegelt wird, und das Schokomuseum ist am erfolgreichsten. Sie erwarten doch jetzt nicht, dass ich meine Direktorenkollegen kritisiere.

Die Simultanhalle ist ja wohl aktuell eher einsturzgefährdet…?

Das ist typisch für Köln, sie pflegen die vorhandenen Sachen nicht, Renovierungen, Restaurierungen, Instandhaltungen kommen bei der Politik einfach nicht so gut an. Ich weiß nicht, ob es anderen Museen und Gebäuden der Stadt Köln viel besser geht, da sind die Löcher nur nicht so offensichtlich.

Gibt es denn überhaupt etwas Neues zu sehen in Ihrem Museum?

Das 25 jährige Jubiläum haben wir zuerst einmal zum Anlass genommen, aus unserer sehr umfangreichen Dokumentationsabteilung eine kleine Zusammenstellung unserer Arbeit der letzten Jahre zu präsentieren. Daneben zeigen wir natürlich auch einige sensationelle Neuentdeckungen wie z.B. die Ferrotypie von ca 1900, die vermutlich Klaus Peter Schnüttger-Webs als Kind auf dem Schoß seiner Mutter zeigt. In diesem kleinen Originaldokument wird die ganze Tragik des Lebens von Schnüttger-Webs und sein wesentlicher Impuls für die Abwendung von der bürgerlichen Existenz und Hinwendung zur Kunst sichtbar. Die Mutter verhüllt sich mit einem schwarzen Tuch und beauftragt den Fotografen, sie mit dem Hintergrund unsichtbar werden zu lassen, was diesem durch technische Probleme nicht in ausreichendem Maße gelang. Im Gesicht des Knaben spürt man das Unverständnis über die Distanzierung der Mutter von ihrem Sohn.

Das heisst, Herr Schnüttger-Webs ist im 19. Jahrhundert geboren?

Darauf kann ich mich nicht festlegen. Die Person zu rekonstruieren fällt uns sehr schwer, da wir immer wieder auf neue Zeugnisse seines künstlerischen Schaffens auf der ganzen Welt und vom 19. bis ins 21. Jahrhundert hinein stoßen. Eigentlich ist es unmöglich, aber die kunsthistorische Zuordnung ist unzweifelhaft. Nun hat KP Schnüttger-Webs aber auch konsequent die Spuren seiner Person als Künstler und Urheber gelöscht, wahrscheinlich eine Folge seines Muttersohnkonflikts.

Ein anderes Werk, dass wir zum ersten Mal in den aus Originalteilen zusammengesetzten Version präsentieren können, ist die 5 m lange Fahnenstange „Viva la revolucion“. Hier verarbeitet KP Schnüttger-Webs sein Engagement im Spanischen Bürgerkrieg zusammen mit Ernest Hemingway, George Orwell, Andre Malraux und Pablo Picasso.

Gleichzeitig spürt man in jedem einzelnen Detail die Desillusionierung nach einem langen Kampf für revolutionäre Ideen. Inspiriert haben ihn sicherlich auch die Fahnenstangen in der mongolischen Steppe, deshalb ist auch ein kleines Bild davon in unserer Dokumentation.

Zum 25 jährigen Jubiläum haben Sie ja eine regelrechte Festwoche mit mehreren Veranstaltungen initiiert…..?

Um dem sehr umfangreichen Schaffen von KP Schnüttger-Webs einigermaßen gerecht zu werden, reicht eine Ausstellung einfach nicht aus. So freuen wir uns darauf, an einem Abend einige Musikstücke mit der Aachener Pianistin Viola Kramer präsentieren zu können. U.a. wird sie mit mir zusammen ein Stück von John Cage vorführen, mit dem Schnüttger-Webs trotz völlig differgierender Ansichten zur Musik anscheinend einen anregenden Austausch betrieb. Ein Abend ist der Architektur gewidmet, an einem anderen Tag werde ich den Teilnehmern die Arbeiten von Schnüttger-Webs im Museum Ludwig in einer Führung zeigen. Diese Veranstaltung ist allerdings exklusiv den Einwohnern von Chorweiler und Volkhoven vorbehalten. Am Sonntag reist Maria Vedder aus Berlin an, um am Nachmittag noch einmal das Video von den Eröffnungsfeierlichkeiten 1986, das damals auch längere Zeit im Museum Ludwig zu sehen war, zu zeigen.

Was ist eigentlich mit Ihren beiden Mitstreiterinnen?

Im Rahmen der Konsolidierungsmaßnahmen in den vergangenen Jahren musste ich die beiden Stellen auf Teilzeitstellen zurückkürzen. Aber ich glaube, Maria Vedder und Bettina Gruber haben auch so genug zu tun und waren darüber eher erfreut.

Was fasziniert Sie eigentlich so an dem Werk von Schnüttger-Webs, dass Sie ihm quasi Ihr halbes Leben widmeten?

Pflichtbewußtsein und Leidenschaft, Macht und Ohnmacht, Realität und Rausch, Metropole und Provinz, Kommerz und Träumerei, das sind nur einige Themen im Werk von KP Schnüttger-Webs und das sind bis heute auch meine Themen.

Wir danken Ihnen für dieses Gespräch!

(*) Die Simultanhalle in Köln-Volkhoven ist eine Miniaturversion des Museum Ludwig. Die Halle wurde 1979 von den Architekten Busmann + Haberer als „Dummy“ gebaut, um dort die Lichtverhältnisse und Bodenbeläge für den Neubau des Museums zu testen. Als die Halle 1983 abgerissen werden sollte, wehrten sich viele Künstler und organisierten Atelierausstellungen. Die Einweihung als Ausstellungsraum erfolgte am 6. September 1986, zeitgleich mit der Eröffnung des Museum Ludwig.

Aktionsabende in der Simultanhalle:

Sonntag 4. September 2011, 18 Uhr. Die Eröffnung des Klaus Peter Schnüttger-Webs Museums 1986. Video von Maria Vedder ca. 80 Minuten. Prof. Maria Vedder, Berlin wird anwesend sein und für Fragen und Diskussion zur Verfügung stehen.

Dienstag 6. September, 18 Uhr: Von Klaus Peter Schnüttger-Webs beeinflusste Architektur im Wohngebiet Volkhoven. Bei diesem Rundgang durch das Wohngebiet rund um die Simultanhalle herum wird Ulrich Tillmann an einzelnen Beispielen der Haus- und Gartengestaltung den Einfluss der künstlerischen Ideen von KPSW aufzeigen. Anschließend stellt er in einem Lichtbildvortrag die Entwicklung des Wohnpark Egelspfad vor, sowie geplante Projekte und nicht realisierte Ideen zur Stadtgestaltung. (S11 Köln HBF 17:34 – 17:45 Köln Volkhoven) Treffpunkt: Eingang Simultanhalle. Mit freundlicher Unterstützung von philosophiekunst e.V. Köln

Mittwoch 7. September, 16 Uhr: „Nasenfett auf Glas“ Auf den Spuren von Klaus Peter Schnüttger-Webs.
Führung durch das Museum Ludwig in Köln mit Ulrich Tillmann für Einwohner von Volkhoven, Chorweiler und angrenzende Stadtteile (begrenzte Teilnehmerzahl 15) Anmeldung erforderlich. (S11 Köln-Volkhoven 15:31 – 15:46 Köln HBF) Die Kosten für den Eintritt in das Museum Ludwig und die Führung werden freundlicherweise vom Klaus Peter Schnüttger-Webs Förderverein übernommen. Treffpunkt: In der Eingangshalle Museum Ludwig

Donnerstag 8. September, 19 Uhr: Töne, Geräusche, Musik – Das akustische Werk von KPSW.
Die Aachener Pianistin Viola Kramer wird einige Originalkompositionen von KPSW sowie Klavierstücke, die von KPSW beeinflusst sind, vortragen. Ulrich Tillmann stellt zwischen den Stücken Tondokumente aus der umfangreichen Sammlung des Museums vor. Mit freundlicher Unterstützung des KunstSalon e.V. Köln

Freitag 9. September, 14 Uhr: Das Team des Museum Ludwig zu Besuch im Klaus Peter Schnüttger-Webs Museum. Das Kuratorenteam der Simultanhalle und der Direktor des Klaus Peter Schnüttger-Webs Museums laden die Kollegen aus dem Museum Ludwig zum Besuch nach Volkhoven ein. Bei ausgewähltem Essen nach Rezepten von KPSW wird über die Zukunft der beiden Museen diskutiert. Welches der beiden Museen hat die besseren Chancen in der Zukunft?

Sonntag 11. September, 19 Uhr: Vorstellung der Konzeption des auf 12 Bände ausgelegten Bestandskataloges des Klaus Peter Schnüttger-Webs Museums. Diskussion mit Verlegern, Herausgebern und Autoren. Anschließend Finissage der Ausstellung


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