Besprechung Plätze der Aussätzigen und Arrivierten

Besprechung
Plätze der Aussätzigen und Arrivierten


Die Highlights aus den DC Open Galerien in Köln und Düsseldorf von Noemi Smolik


Für Überraschungen ist er immer gut, der belgische Künstler Kris Martin, deswegen werden seine Auftritte mit großer Spannung erwartet. So auch diesmal, als seine Ausstellung in der Düsseldorfer Galerie Sies+Höke angekündigt wurde. Und er enttäuscht nicht.

Überlegt, clever, witzig, manchmal schon ein wenig sarkastisch ist er auch diesmal. So der zerfallende Schuh, den Martin selbst auf einem Schlachtfeld des 1. Weltkrieges ausgegraben hatte. Reste des menschlichen Knochens sind noch im Schuh, der unter dem Titel „Wanderer“ in einer Vitrine wie ein kostbarer Gegenstand präsentiert ist.

Überzeugender sind aber die ganz kleinen Arbeiten von diesem beneidenswerten Ideenakrobaten. Die Kieselsteine, die so nebeneinander aufgereiht sind, das deren Marmorierungen den Satz „I am not an Idiot“ ergeben oder das Blatt mit dem geschriebenen Wort „Now“ und der winzigen Schnecke, die aus dem „w“ herauskriecht.

Mut zum Neuen ist in Düsseldorf wie in Köln zu spüren. Die Düsseldorfer Galerie van Horn stellt zwei noch völlig unbekannte Künstler vor. Den deutschen, 1980 geborenen Jochen Weber und den in Kalifornien lebenden 80jährigen LeRoy Grannis. Was sie verbindet? Surfen. Grannis fotografierte in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts Surfer an kalifornischen Stränden, ließ seine farbigen Negative aber erst jetzt als Fotos abziehen. Der zeitliche Abstand verlieh ihnen eine ungewöhnliche, leicht romantische Farbigkeit. Weber liebt das Surfen und als Künstler baut er Objekte aus Holz, die er mit Glasfaser und Polyesterharz überzieht, mit Materialien also, aus denen auch Surfbretter gebaut werden. Obwohl sie an Stühle und Tische erinnern – einige kann man tatsächlich auch benutzen und vielleicht deswegen auch der Titel der Ausstellung „Alibi der Form“ – haben sie eine Geschmeidigkeit und Leichtigkeit, die nicht nur den Fotos, sondern überhaupt dem Surfen eigen ist. Und sie scheinen zeitlos zu sein, was sie mit den erst später entwickelten Fotos des kalifornischen Fotografen verbindet.

Auch zwei Kölner Galerien trauen sich Neues zu: Die Galerie Figge von Rosen zeigt die erst 25jährige, aus Georgien stammende Anna K.E. und die Galerie Warhus Ritterhaus, stellt gleich vier junge Künstler vor. Anna K.E. ist unter dem Titel „Gone Tomorrow“ mit Architekturmodellen von Fantasiegebäuden vertreten, die auf Regalen und Podesten präsentiert und gleichzeitig auf computergenerierten Bildern exakt abgebildet sind, so dass man nicht weißt, was zuerst da war: die Entwürfe oder die Modelle. Trashig auf der einen Seite und sorgfältig mit Goldblatt beklebt auf der anderen sind sie seltsame Hybride moderner Eleganz und zeitgenössischer Skulptur mit ihrer Rohheit. Man kann auf die weitere Entwicklung dieser Künstlerin gespannt sein.

Die Galerie Warhus Ritterhaus lud das Künstlerduo Markus Selg und Astrid Sourkova ein. Doch statt ihre eigenen Arbeiten zu zeigen, luden die wiederum noch jüngere Künstler ein. Als Motto der gemeinsamen Ausstellung dient ein Bild des georgischen Malers Niko Pirosmani, der auch schon in Moskau mit Malewitsch ausgestellt hatte. Unter der Überschrift „Meedan Latschare“ – was so viel wie Platz der Aussätzigen heißt – werden vier Künstler gezeigt. Und wenn auch nicht aussätzig so sind die vier allemal eigenwillig. Der englische Künstler Joe Neave mit erotisch-ironischen wie altmodische Buchillustrationen aussehenden Zeichnungen, der deutsche Quirin Bäumler mit kleinen Skulpturen, die durch ihre Unfertigkeit bestechen, der in Prag lebende Fotograf Adam Holý mit Farbfotos, die in der Tradition des tschechischen Lyrismus alltägliche Bilder von morbider Schönheit zeigen. Mit dicker Ölfarbe auf kleinen Bildflächen zaubert der aus Spanien stammende Humberto Poblete-Bustamante abstrakte Bilder, die zwischen den Farbschichten Figuren ahnen lassen.

Wer sich mehr für die arrivierte Kunst interessiert, kommt in Köln ebenfalls auf seine Kosten. In dem gemeinsamen Raum, den die Galerie Jablonka und Pasquer gerade eröffnet hat, sind einige Highlights der japanischen Fotografie zu sehen. Fotos von Nobuyoshi Araki, von den zwei Mitgliedern der 1968 gegründeten Gruppe „Provoke“ Daido Moriyama und Yutaka Takanashi und von Shomei Tomatsu, der die Amerikanisierung japanischer Gesellschaft nach dem verlorenen Krieg dokumentierte und der in Europa noch zu entdecken ist. Und auch die große Ausstellung der Bilder und Zeichnungen von Sigmar Polke in der Galerie Michael Werner zählt zu den absoluten Highlights des DC-Rundgangs. Nichts wie hin!


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