Mary Bauermeister
Alles, was Rang und Namen hat, schlief auf meinen Matratzen: John Cage, Christo, der Schriftsteller Hans G. Helms, der Pianist David Tudor, der koreanische Komponist Nam June Paik, der als Erfinder der Videokunst gilt. Dazu haben ihn meine Experimente mit Phosphorfarben inspiriert. Damals hatten wir alle kein Geld, wir waren froh, wenn es Kartoffeln mit selbstgemachter Mayonnaise gab. Unsere bewusstseinserweitertende Droge war der Hunger.
Mary Bauermeister mietete 1959 eine Dachgeschosswohnung in der Lintgasse 28 in Köln. Dort richtete sie ihr Atelier ein, das zu einem Treffpunkt der Avantgarde wurde. Komponisten wie John Cage, David Tudor oder La Monte Young gaben dort auf Mary Bauermeisters Initiative hin ihre ersten Konzerte, Fluxus-Künstler wie Wolf Vostell, Nam June Paik und Christo performten oder stellten ihre Werke im „Atelier Bauermeister“ aus. Auch das „Licht-Ballett“ von Otto Piene wurde zwischen März 1960 und Oktober 1961 durch Mary Bauermeisters Unterstützung in der Lintgasse uraufgeführt. Es ging nicht mehr um herkömmliche Kunstwerke, sondern um Prozesse, um die Intensität des Augenblicks. Improvisation war der Kern des Neuen. Viele Komponisten wie Cage oder Tudor kamen auf Einladung des WDR nach Köln, um dort an den „Musik-der Zeit“-Konzerten mitzuwirken oder im Elektronischen Studio zu arbeiten. Die „Neue Musik“ wurde zum geheimen Motor für den Kunststandort Köln. Ihre Ateliermiete zahlte die Künstlerin, die am 7. September 1934 in Frankfurt am Main geboren wurde und in Ulm bei Max Bill studiert hat, durch den Verkauf ihrer Kunstwerke. Eintritt verlangte Mary Bauermeister zu ihren Konzerten nicht, Einlass fand, wen sie oder ihre Künstler eingeladen hatten. Während eines Kompositionskurses in Darmstadt lernte sie auch Karlheinz Stockhausen kennen. 1967 heiratete sie ihn, nachdem sie mehrere Jahre in einer Ménage-à-trois mit Doris Stockhausen gelebt hatte.