Besprechung Norman Bates im Katasteramt

Besprechung
Norman Bates im Katasteramt


Patrick Rieve »Skeleton Key« / M29, Köln / bis 29. Mai

 

Schlenderte man jüngst selektierenden Auges über den Kunst-Jahrmarkt in den Messehallen Kölns, konnte man im OpenSpace die rosarote gegen eine rotgrüne Brille tauschen. Durch sie hindurch betrachtet sprang einem geradezu das Cover einer Comic-Edition entgegen, das der 1971 geborene Künstler Patrick Rieve gestaltet hat. Das Deckblatt des Heftes, das so verschwommen wie ein Fehldruck anmutet, jedoch durch die beiliegende 3D-Pappbrille Kontur gewinnt, titelte Adventures into the Unknown.

Mit der Schlagzeile Millions Blinded by Mass Halluzination verkündete gleich daneben eine weitere Drucksache im Zeitungsformat – dem »heraldischen« Periodikum New Yorks nachempfunden –, was gerade auf einer Kunstmesse wie eine satirische Meldung von Morgen klingt. Die Zeitung kündigte zugleich die Ausstellung des in Jülich geborenen Künstlers bei M29 an, womit auch nicht zuletzt auf den Schwerpunkt der Galerie verwiesen ist – die Verlagsarbeit.

Rieves Edition mit Brille, aber auch die Sonderform der Zeitung – eine Doppelseite mit Zeichnung in der Mitte und Textbeiträgen verschiedener Autoren über den (psychologischen) Raum – referieren auf die Arbeiten des Künstlers, die es bei M29 zu sehen gibt. Die Suche nach dem »Skeleton Key« – als Hauptschlüssel oder auch Dietrich zu verstehen – und damit der Zugang zu einem künstlerischen Kammerspiel vorrangig in der Zeichnung, das aber auch in den in einem Maßstab von 1:10 gebauten Häusermodellen aufscheint. Die Holzmodelle ohne Dach legen den Blick auf eine Zuordnung von Grundfarben für bestimmte Räume frei, die der Künstler vorgenommen hat und immer wieder auch in anderen Arbeiten aufgreift. Rieve setzt sich vielschichtig mit Räumen und dem Medium Zeichnung selbst, mit Häusern und Kartografie auseinander. Isometrisch erfasst er Wohnungen, in denen allerlei Requisiten von einem Leben zeugen, das sich darin befand. Häufig sind es autobiografische Orte, die er ‚begeht‘ und auch seine eigene Person taucht immer wieder auf, in der jetzigen Serie allerdings nur auf dem Comiccover.

Patrick Rieve, Skeleton Key (Installationsansicht)

 

 

Slavoj Zizeks Analyse des Hitchcock‘schen Psycho-Hauses – abgedruckt in Rieves »Zeitung« – erhellt das Gedankengebäude des Künstlers: Geradezu anknüpfend an den wohl berühmtesten »Kammerspielfilm« Hitchcocks, versteht Zizek das Bates’sche Heim als einen vom Bauherrn Sigmund Freud errichteten Komplex. Rieve ist hier – zu neudeutsch – Profiler oder etwa Kartograph, quasi Re-Architekt, der Spuren der Raumwahrnehmung und -definition verfolgt und über eine selbstreflexive Beschäftigung mit individuellen Wohnräumen an die Oberfläche bringt. Patrick Rieve spürt in seinen Arbeiten Perspektiven nach und legt damit Möglichkeiten der Neuvermessungen der eigenen Position frei.

 

Patrick Rieve, Skeleton Key, 2010

In einem Projekt des Hamburger Kunstvereins names Mapping a City (2003/2004) hatte er sich verschiedene Blicke eines fiktiven Scharfschützen auf den großzügig verfensterten Ausstellungsraum ,erzeichnet‘. Der Betrachter, vor der fertigen Serie stehend, erkannte schließlich seine eigene Position damit neu kartiert und um vielfache voyeuristische Sichtachsen erweitert. Patrick Rieve, der auch mit der Galerie für Landschaftskunst zusammenarbeitet, schafft Reflexionsräume zu perspektivischer Wahrnehmung, Sichtweisen und Verortung – er betreibt ein spannendes künstlerisches Zirkelspiel um Sehen und Gesehenwerden.