Besprechung Levve

Besprechung
Levve


»Lich, Luff un Bäumcher« / Neues Kunstforum / Köln / bis 10. Juni

unbedingt vermeiden! Dialekt, vor allem schriftlich fixiert, ist tödlich wenn man in High Art Land was werden will. Klar, New Yorker Slang, das geht. »…and then I found 5 dollars« klingt bestimmt auch cooler als
Lich, Luff un Bäumcher und so versteckt jener Titel, der noch bis zum 10.6. laufenden Ausstellung, auch eher das Sehenswerte, als es zeitgemäß anzupreisen.


Tatsächlich wendet sich dieses schöne Bescheidene der Präsentation in leichten Frust, wenn dann das Neue Kunstforum am Alteburger Wall lediglich durch wahlloses Klingeln bei den dort befindlichen Ateliers zu betreten ist. Oder man wartet, bis einer der dort arbeitenden Künstler zufällig vorbeischaut, was zum Glück nach fünf Minuten der Fall war und ein Klingeltürchen Spiel ersparte.

Lich, Luff un Bäumcher präsentiert Bilder von Werner Mantz und Hugo Schmölz. Sie photographierten die ambitionierten bis avantgardistischen GAG Siedlungsprojekte, welche ab 1913 die Wohnungsnot im Kölner Stadtraum lindern sollten. Was sich dort materialisierte, waren verschiedenste Visionen des »Neuen Bauens« – von seiner kubistischen Version in Nähe zur Bauhaus Ästhetik, bis zu expressionistischen, ja mitunter verspielten Formen. So war der Ausstellungstitel auch das Motto Wilhelm Riphahns Planungsentwurfs einer Gartenstadt am Stadtrand. Die dort geschaffenen, kleinen Einfamilienhäuser sollten per Ratenzahlung in Mietpreishöhe in die Hände der dort lebenden Arbeiter übergehen. Immer zeigt sich die soziale Idee in den Bauentwürfen, welche spätestens bei der Präsentation neuer Möblierungen ein neues Leben propagierten und wenn dies auch nur darin bestünde, den alten Schränken und Betten die Beine zu kürzen. Auch davon berichten die Photos dieser Ausstellung die auch immer wieder Menschen zeigen. Deren oft noch an das 19. Jahrhundert erinnerndes Erscheinungsbild verstärkt die modernistische Realität vieler der neuen Orte oder verwandeln die »Märchensiedlung« tatsächlich in einen unwirklichen Traumort aus einer Parallelwelt. Dramatische Fluchtpunkte, Wolkenensembles am Himmel sowie Licht und Schattenspiele, insbesondere in Werner Mantz Arbeiten, lassen eh an einer möglichen Trennlinie zwischen Dokumentation und Inszenierung zweifeln.

Ein weiterer Gewinn besteht in der Erinnerung an eine Idee der Lebenskunst, welche das tatsächliche Leben meinte, etwas, daß sich verwirklichen lies und sei es in Form eines eigenen Gartens für den Gemüseanbau. Die faktische Macht der Architektur über das Leben, hier erscheint sie solange als Segen, bis man in die arg beengten Räume mancher der Bauvisionen blickt, in denen man mittels (durchaus wohlgestalteter) Standardmöbel einer drohenden Klaustrophobie beizukommen versuchte und fast ein Ikea-Leben vorwegnahm, dies aber durchaus sozialistisch begründete.

Viele der Siedlungen haben die Zeit überdauert. Manche, wie die bereits in einem älteren Artikel erwähnte Weiße Stadt, stehen seit längerem unter Denkmalschutz und andere, wie die Märchensiedlung, werden langsam wieder an ihren ursprünglichen Zustand angenähert. Letztlich ist es die vieler Architektur schmeichelnde Macht der schwarz-weißen Abstraktion, welche den Gebäuden eine Präsenz verleiht, die heute so nicht auf den ersten Blick zu bemerken ist. Doch auch dies ist eine große Stärke der Ausstellung: Sie dokumentiert auf einem großen Stadtplan die Lage der Siedlungen und schickt einen auf Wege durch die Stadt. Bald beginnt das Auge, andere interessante Details in den oft übersehenen Siedlungsbauten vergangener Jahrzehnte zu entdecken. Der Besuch dieser Ausstellung steigert die Schönheit der Stadt, gerade auch vernachlässigter Stadtteile wie Mauenheim, Zollstock und Buchforst. So lässt sich Lich, Luff un Bäumcher an das Schaffen aktueller Künstler wie Merlin Bauer und Boris Sieverts anknüpfen und belegt eine historische Stärke der Region.