Besprechung  Andreas Fogarasi

Besprechung
Andreas Fogarasi


Ludwig Forum Aachen / bis 25. April 2010

Mit seinen gefühlten 100 Brunnen, die in der Innenstadt für Mikrogemütlichkeiten sorgen, viele mit Bronze skulptural garniert, markiert sich Aachen als Großstadt des Bronzestreichelns. Würde Aachen sich nicht bereits als Stadt Karls des Großen vermarkten, stände mit den Quellen, die die römische Stadtgründung auslösten, ein weiteres Zugpferd für den Städtekontest Wer imitiert am besten ein Wirtschaftsunternehmen bereit.

Die Alemannia dümpelt nach der versemmelten 0:4 Einweihung des neuen Tivoli im Niemandsland der zweiten Liga und die benachbarten Weltreiterspiele CHIO halten Nichtreiter für eine Chipsfirma. Da heute Brunnencity als Stadtmarke wenig hermacht, käme wahrscheinlich die hier beheimatete RWTH Exzellenz-Universität mit ins Marketing-Boot. Wasser und Wissenschaft – Tourismus und Startups: The Sprudel City.

Die Headline des Posts setzt sich aus Titeln einer Serie von Andreas Fogarasi’s Arbeiten zusammen, die sich mit der oft angestrengt anbiedernden Zurschaustellung von Städtemarken beschäftigen. Der Verweis auf die populistischen Bronzeklopse und Fragen des Stadtmarketings liegen nahe, da es dem 1977 geborenen Wieners in seiner Arbeit um die gegenwärtige Definition des Stadtraumes geht, allerdings mit Blick auf den Repräsentationscharakter von Architektur und Design.

Fogarasi zeigt in Aachen Teile der Arbeit, für die er 2007 mit dem ungarischen Pavillon auf der Biennale von Venedig den goldenen Löwen gewonnen hat. In ihrem Aachener Vortrag zu Fogarasi verknüpfte Katalin Timar, Kuratorin am Museum Ludwig in Budapest, Ursprünge und Hintergründe der in Venedig 2007 gezeigten Filme sehr anschaulich mit der kuriosen Entstehungsgeschichte des damaligen Projektes. Angefangen vom nationalen ungarischen Bewerbungsverfahren um den Pavillon, den sie einerseits mit dem Vorschlag der Fogarasi-Arbeit für sich entscheiden konnte, während sie andererseits von dieser Entscheidung erst ca. drei Monate vor der Eröffnung der Biennale erfahren hat; bis schließlich zur überraschenden Verleihung des Goldenen Löwen, den Künstler und Kuratorin nach kurzer improvisierter Feier an einem Kaffehaustisch in den Giardini an die ungarischen Offiziellen weiterreichen mussten.

Die Videos der Venedig-Arbeit, über die Architektur von Kulturpalästen im ehemaligen Ostblock, sind in Aachen aneinandergereiht im Kino des Ludwig Forums zu sehen. Am dichtesten ist der Film Die Arbeiter verlassen das Kulturhaus, mit seiner Lumière/Farocki Referenz. Beim Schwenk über die direkte Umgebung eines umgenutzten Firmen-Kulturhauses, die von Großfinanziers umgestaltet wurde, laufen irritierende Begriffe und kurze Sätze kommentierend durch das Bild. Sie stellen sich bei wiederholter Betrachtung als Titel von amerikanischen Spielfilmen heraus. Katalin Timars Hintergrund-informationen klären, dass es sich um Filme handelt, die zur Entstehungszeit von Fogarasis Video in einem neu entstandenen Multiplexkino neben dem alten Kulturzentrum liefen.

Leider entgehen einem bei der hintereinander geschalteten Version der Videos die von Fogarasi entwickelten offenen Black Boxes. Immer noch lassen sich unzählige Künstler und Kuratoren vom Begriff Black Box dazu verleiten einen White Cube schwarz anzustreichen und zu denken damit wäre es getan. Fogarasi hat mit diesen, sowohl vom Design als auch vom Minimalismus beeinflussten, aufgeständerten Kisten eine der wenigen sinnvollen Antworten auf das Problem gefunden, wie man Videos in kleineren Räumen ohne atmosphärische Zumutungen für Besucher präsentieren kann. Dem Wiener Andreas Fogarasi geht es in seinen Arbeiten um die Frage nach dem Ausstellen, dem Repräsentieren und den dazu verwendeten Werkzeugen und Hilfsmitteln. Diesen Ansatz verfolgt er auch in seiner Einzelausstellung Andreas Fogarasi – 1998 in den neuen Sonderausstellungsräumen des Ludwig Forum.

Zur Ausstellung von Fogarasi ist zudem eine DIN A5 große Beilage zur Zeitschrift dérive erschienen. Der Künstler und Architekt ist Mitherausgeber und seit Jahren Autor dieser Zeitschrift für Stadtforschung, was ihn als an der Einmischung in größere Zusammenhänge Interessierten kennzeichnet. Die Beilage erzählt auf dem Cover – Andreas Fogarasi 1998, Cities and Placemarks, Folkemuseum, Ludwig Forum für Internationale Kunst Aachen. Damit ist neben dem Impressum und dem Ort (dérive) auch schon die zentrale Kontextaussage gemacht. Im Inneren befindet sich kein Text. Drei Werkgruppen werden mit knapper Benennung, ähnlich wie in einer Ausstellung, vorgestellt. Ohne den Zusammenhang von Titel und Impressum könnte man das Ganze für ein Portfolio halten oder eine Art Sammelalbum, das aber schon komplett geklebt ist. Was in anderen Zusammenhängen anstrengend kryptisch ist (wie zum Beispiel Vortragsankündigungen von Künstlern bzw. Autoren im Kunstkontext, die nur als Name vorgestellt werden) ist im Zusammenhang von Fogarasis sonstiger Arbeit konsequent. Er bewegt sich durch einen komplexen zeitgenössischen Stadtraum mit dem Blick für Details, die er als Dreh- und Angelpunkte für dessen Deutung ausmacht. Seine künstlerischen Arbeiten isolieren derartige Details (wie z.B. die marmornen Paravents der aktuellen Ausstellung), formen sie zum Teil um und setzen sie in den Ausstellungskontext der Kunst als Verweisfindlinge wieder ein. Es ist zum Verständnis seiner Arbeit wichtig seine langfristige Vorgehensweise in den Blick zu nehmen und sie als Ergebnisse eines engagierten Entschlüsslers-Verschlüsslers-Entschlüsslers zu lesen.