Wilhelm Schürmann
„Wir wollten einfach, wir hatten die Hummeln im Hintern. Und es war auch möglich, es war ja alles ein völlig unbeackertes Feld. Und das ist aufregend, Sie müssen Ihre eigenen Kriterien entwickeln.”
Anfang der 1970er Jahre gibt es in Deutschland nur zwei kommerzielle Fotogalerien: die Galerie Wilde in Köln und die Fotogalerie Lichttropfen (später Schürmann und Kicken) von Wilhelm Schürmann und Rudolf Kicken in Aachen. In den Museen ist die Fotografie als künstlerische Ausdrucksform noch nicht akzeptiert. An den Fachhochschulen wird vor allem ein technisches Verständnis des Mediums gelehrt. Wilhelm Schürmann, 1946 in Dortmund geboren, erzählt im Audioarchiv Kunst von der großen Begeisterung für Fotografie und Kunst, die ihn schon früh umtreibt. Seinen Eltern zuliebe studiert er zunächst Chemie in Aachen, beginnt aber schon während des Studiums intensiv zu fotografieren. Sein Interesse gilt Szenen aus dem Alltag. Als er den ebenfalls fotoverrückten Rudolf Kicken kennenlernt, der in den USA Fotografie studiert und in der legendären New Yorker Light Gallery ein Praktikum absolviert hat, machen die beiden die Kunst zum Beruf und eröffnen 1973 in Aachen ihre erste Galerie. Ihr Schwerpunkt liegt auf jungen amerikanischen Fotografen wie Stephen Shore, Emmet Gowin oder Fotojournalisten wie Neal Slavin. Als Wilhelm Schürmann den tschechischen Fotografen Josef Sudek in Prag besucht, stellt dieser den Kontakt zu weiteren Kollegen wie Jaromír Funke und Jaroslav Rössler her. Von nun an reist Schürmann immer wieder nach Prag, kauft Vintage Prints und Originale und entwickelt zugleich eine Sammelleidenschaft. Was dem Galeristen gefällt, behält er für sich – ein Interessenkonflikt, der ihn 1979 veranlasst, die Galerie zu verlassen. Mit Kennerblick trägt er gemeinsam mit seiner Frau eine Sammlung tschechischer Dokumentarfotografie der 20er und 30er Jahre zusammen. Rund 400 Fotos, die ihm das Getty Museum in Los Angeles 1984 prompt en bloc abkauft. Das Geld dient ihm als Grundlage für den Aufbau seiner eigenen Kunstsammlung. Schon früh begeistert er sich für die Kunst von Martin Kippenberger. Die Begegnung mit dem Künstler bezeichnet er als Weckruf, Kunst zu machen.
Das Ehepaar Gaby und Wilhelm Schürmann lebt in Herzogenrath-Kohlscheid bei Aachen und in Berlin.
Aus dem Audioarchiv Kunst – Stimmen zu den Anfängen der zeitgenössischen Kunst im Rheinland. Weitere Stimmen von Zeitzeugen: Audioarchiv Kunst
Foto: Albrecht Fuchs