Besprechung Kuno Gonschior

Besprechung
Kuno Gonschior


Thomas Hensolt über „Kuno Gonschior – Ausgewählte Werke 1960-2010“ bei Galerie Frank Schlag & Cie., Essen, bis 4.6.14

Mit seiner Ausstellung  löst der Essener Galerist Frank Schlag ein vier Jahre altes Versprechen ein: Kuno Gonschiors Werk sollte nach dessen Tod nicht in Vergessenheit geraten. Vier Jahre scheinen eine Ewigkeit – warum es so lange gedauert hat, erläutert Schlag in seiner Eröffnungsrede. Noch immer sind die Nachlassverhältnisse ungeklärt, Freunde der Familie, Museumsleute, Wegbegleiter Gonschiors und seine Galeristen rätseln nach wie vor, weshalb das ehemalige Atelier in Hattingen und der persönliche Besitz noch unter Verschluss sind.

Ausstellungsansicht Kuno Gonschior, Ausgewählte Werke 1960-2010, Galerie Frank Schlag & Cie., Essen

Ausstellungsansicht Kuno Gonschior, Ausgewählte Ausgewählte Werke 1960-2010, Galerie Frank Schlag & Cie., Essen

Zu Lebzeiten erhielt die typische punkt- bzw. fleckenförmige Malerei Gonschiors viel Aufmerksamkeit, 1977 waren seine Bilder gar auf der documenta 6 von Manfred Schneckenburger zu sehen. Intensiv hatte sich der 1935 in Wanne-Eickel geborene Maler, der an der Kunstakademie Düsseldorf studierte und später an der Universität in Köln unterrichtete mit der Wirkkraft von Farbe auseinander gesetzt. Die Theorien Josef Albers‘ und Michel Eugène Chevreuls befragte er in seiner fast fünzigjährigen künstlerischen Karriere immer wieder neu. Seit dem Tod Gonschiors 2010 war es jedoch ruhiger geworden um dessen Werk. Umso schöner ist es, dass es Schlag nun gelungen ist, eine umfassendere Schau auf die Beine zu stellen.

Den Auftakt der Ausstellung bildet die Arbeit „Ohne Titel“, 1959/60, die zwar in der schlecht beleuchteten Vitrine nicht voll zur Geltung kommt, aber hier als frühe Arbeit einen guten Einstieg in Gonschiors Werk bietet: Beinahe militärisch genau reiht sich Punkt für Punkt auf dem bräunlichen Rupfen auf. Auch die verwendeten Farben – dunkles Grün, Braun und abgetöntes Schwarz – erinnern an Armeeuniformen. Eine typische Arbeit der frühen 1960er Jahre, die Leichtigkeit und Farbkraft späterer Malereien nur vermuten lässt. Daneben zwei weitere kleine Bilder, auf deren schwarz grundierten Leinwänden sich dicke, parallel ausgerichtete, blaue Linien erheben, die direkt aus der Tube zu stammen scheinen. Auch sie unterliegen einer Ordnung, verlagern aber zusätzlich durch die bloße Farbmasse die flächige Malerei in den dreidimensionalen Raum.

Das Phänomen Sogwirkung lässt sich immer wieder in den Arbeiten Gonschiors beobachten. So etwa bei „Ohne Titel“ von 1991. Orange leuchtende Fleckchen aus einer Mischung aus Wachs und Ölfarbe bedecken die grau grundierte Leinwand und verdichten sich zur Mitte hin zusehends, bis man förmlich in das Bild hineingezogen wird. Erst auf den zweiten Blick lassen sich dabei die vereinzelten dunklen Flecken im äußeren Bereich erkennen, die die optische Täuschung noch verstärken.

Kuno Gonschior, Ohne Titel, 1991, Wachs auf Leinwand, 120x100cm, courtesy Galerie Frank Schlag & Cie., Essen

Kuno Gonschior, Ohne Titel, 1991, Wachs auf Leinwand, 120x100cm, courtesy Galerie Frank Schlag & Cie., Essen

Fernweh kommt auf, wenn man die Bilder Gonschiors betrachtet. Einige Werke rufen durch den gezielten Wechsel von Farben und Frequenz Landschaftsassoziationen hervor, hier scheint die Luft aufgeheizt, Konturen verschwimmen und flimmern vor den Augen. Eben jene Vibrationen sind das Ergebnis jahrelanger, intensiver Beschäftigung mit der Farbe, die Gonschior immer wieder in die Nähe der Op-Art rückte.

Die bei Schlag gezeigte 8-teilige Siebdruckserie „Ohne Titel“, 1972 zeigt diese Studien besonders eindrücklich. In leuchtenden Neonfarben, die der Künstler 1962 für sich entdeckte, treibt er die Wirkung durch Simultankontraste, Interferenzen, Ordnungssysteme und Überstrahlungen auf die Spitze und überfordert damit gezielt das menschliche Auge. Kreisformen unterschiedlicher Größe tauchen auf dem pinkfarbenen Untergrund auf, verschwinden wieder, nur um wenige Sekunden später wieder Herr des Geschehens zu sein. Gonschior treibt diese Nachbilder teilweise so weit, dass man nach einer Zeit das Bedürfnis verspürt, auf eine neutrale Fläche zu schauen.

Kuno Gonschior, Gelb 2000 Mischtechnik auf Leinwand | mixed media on canvas, 200 x 150 cm, courtesy  Galerie Frank Schlag & Cie, Essen

Kuno Gonschior, Gelb, 2000, Mischtechnik auf Leinwand | mixed media on canvas, 200 x 150 cm, courtesy Galerie Frank Schlag & Cie, Essen

Dennoch verfügen seine malerischen Experimente über eine Dimension, die über die bloße wissenschaftliche Betrachtung vieler Op-Art Künstler hinaus geht. Für Gonschior besaßen die Farben auch eine emotionale Qualität. Dies wird nicht zuletzt deutlich, wenn man  „Gelb“ aus dem Jahre 2000 genauer betrachtet. Die gelbe Farbe ist hier fingerdick auf den Trägerstoff aufgebracht, erscheint beinahe wie Baumrinde und dennoch so weich, dass man gerne einmal vorsichtig über die Oberfläche streichen möchte. Gleichzeitig lösen die Bilder ein Gefühl von Wärme und Leichtigkeit aus. Eben jene Eindrücke und Empfindungen stellten für Gonschior einen wichtigen Faktor bei der Erschaffung seiner Bilder dar. So erklärte der Maler 2008, dass beim Malprozess ein „Glücksgefühl“ für ihn entstehe und die Farbe ihn „hebe“.

Mit der Ausstellung, in der knapp zwanzig Arbeiten zu sehen sind, gibt die Galerie einen anregenden Überblick über das Schaffen Kuno Gonschiors. Bleibt zu hoffen, dass bis zur nächsten Begegnung mit diesen sinnlich präzisen Gemälden nicht wieder so viel Zeit vergehen wird.


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