Besprechung Weniger Hollywood, mehr Qualität

Besprechung
Weniger Hollywood, mehr Qualität


Noemi Smolik über die 47. Art Cologne

An der diesjährigen Art Cologne kommt man nicht vorbei, wenn man es mit der Kunst ernst meint. „Weniger Hollywood und mehr Qualität“, war zurecht von Anfang an das Motto von Messechef Daniel Hug. Und das gelingt ihm von Jahr zu Jahr besser.

Bei der Eröffnung konnte man eine entspannte und unaufgeregte Atmosphäre erleben, die nur ein Publikum erzeugen kann, dem es um die Sache geht. Und das ist der große Vorteil vom Standort Köln und überhaupt dem Rheinland. Denn hier gibt es ein Publikum, das sich bereits seit Jahrzehnten für zeitgenössische Kunst interessiert und daher nicht nur gut informiert, sondern auch selbstbewusst im Umgang mit neuer Kunst ist. Das Rheinland hat eine Vielzahl engagierter, erfahrener Sammler, die nach wie vor eigene Wege gehen. Hier treten sich wegen der Dichte an Ausstellungsinstitutionen die Museums- und Kunstvereinsdirektoren und die Kuratoren auf die Füße wie nirgendwo sonst auf der Welt.

Was die Qualität betrifft, ist die Nada derzeit noch der schwächste Punkt der Messe. Die Internationalität der Galerien lässt noch einiges übrig, die ausgestellte Kunst wirkt bieder. Zu viel Flachware an den Wänden, wenig Experimentierfreude, die den Raum einbezieht. Aber vielleicht ist die junge Kunst heute so. Von den an den Wänden hängenden Werken sind hier die von Energie strotzenden Bilder von Carola Ernst in der Hamburger Galerie Power und zwei Objekte von Anna Virnich in der Kölner Galerie Drei hervor zu heben. Mit Architektur und derer Dominanz durch Männer beschäftigt sich Katarina Burin am Stand der Kölner Galerie M29. Sie setzt dem tschechischen Architekten der Moderne, Jaromír Krejcar – dem späteren Ehemann von Milena, an die Franz Kafka seine weltberühmten Briefe richtete – eine erdachte weibliche Partnerin an die Seite. Erfrischend ist die kleine Projektion der Gruppe Mahony in der Wiener Galerie Emanuel Layr, in der vier mexikanische Sänger in traditioneller Weise die Kunst dieser Gruppe besingen. Schräg der Stand der aus dem kalifornischem Venice kommenden Galerie Paradise Garage.

Ob die junge Kunst wirklich braver ist, fragt man sich aber auch bei den New Positions, die innerhalb der Messe in einzelnen Galerien verstreut sind. Was diesen Eindruck vermittelt, ist wohl auch die Tatsache, dass sich viele der jungen Künstler mit dem Erbe der abstrakten Moderne auseinandersetzen. Einige darunter auch durchaus überzeugend. So die Installation der irische Künstler Laurence Kavanagh in der Londoner Galerie Marlborough Contemporary. Die russische Künstlerin Yelena Popova befasst sich am Stand der Kölner Figge von Rosen Galerie konzeptuell mit einem vertuschten atomaren Unglück in der sowjetischen Stadt Ozersk, dem ein Ornithologe anhand von Missbildungen an Vögeln aus dieser Gegend auf die Spur kam. Eine der besten Arbeiten stammt von dem Tschechen Zbyněk Baladrán in der Pariser Galerie Jocelyn Wolff. Unter dem Titel „Assemblages against essences“ projiziert er eine Art pseudowissenschaftliches Bilderbuch für Erwachsene auf den Boden.

Auch die etablierten großen Galerien haben nicht wesentlich mehr Mut zum Experiment als ihre jüngeren Kollegen. Hier überwiegt ebenfalls die Malerei, die Fofografie ist seltener geworden, ab und zu wagt man sich mit einem Objekt oder einer Installation in den Raum. Fast völlig von der Messe verschwunden sind Projektionen. Das ist schade, denn gerade in diesem Medium geschieht oft das Spannendste. Das zeigt auch die Projektion von Ed Atkins, die das Museum Ludwig am eigenen Stand als neuen Erwerb präsentiert. Selbst der Gang durch die erste Etage, der früher stellenweise zum Spießrutenlaufen werden konnte, überrascht durch zurückhaltende Hängung aber überzeugt dennoch durch Anspruch. Hier sieht man Museumsstücke wie zum Beispiel die Arbeiten von Meret Oppenheim in der Hamburger Galerie Levy.

Zu denen Highlights der 2. Etage gehört zweifellos der Stand der in Köln und Berlin ansässige Galerie Buchholz. Ein großes Bild von Lucie McKenzie, eine Serie von Henrik Olesen, in der Mitte ein schlichtes Bild von Michael Krebber, eine neue Skulptur mit einem Affen und viel Stoff von Isa Genzken, ein großes Foto von Wolfgang Tillmans – große Namen in einem fast schon perfekten Zusammenspiel präsentiert. Wie ein Labyrinth wirkt der Stand der Galerie Neu aus Berlin. Dominiert von einem großen Foto der gerade angesagten Gruppe Bernadette Corporation, auf dem eine höchst atraktive Frau sitzt, sind hier unter anderen Arbeiten von Tom Burr, Nick Maus und eine leuchtende Neonkonstruktion von Claire Fontaine zu sehen. Herausragend auch die benachbarten Stände der Brüder Johann König aus Berlin und Leo König aus New York. Bei Leo König findet sich eine Rarität: kleine Graphitzeichnungen von Gerhard Richter – wer hat von diesem Maler schon Zeichnungen gesehen? – und eine Entdeckung die kleine abstrakten Bilder der aus Bangladesch stammenden, in den USA lebenden Malerin Anaka Faruqee.

Beim Verlassen der Messe vergesse man nicht, auf die Ausstellung von Video- und Filmarbeiten aus der Julia Stoschek Collection ein Auge zu werfen. Auch hier große Namen, von Bruce Nauman angefangen bis zu der letzten Turner Preisträgerin Elisabeth Price und gleich am Eingang das Video „Wallfucking“ von der italienischen Künstlerin Monica Bonvicini. Das lohnt sich.


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