Besprechung Undine geht.

Besprechung
Undine geht.


Zu: Anne Kaminsky »Denn nun geht es nach der Mühle.« in der / Galerie Vera Gliem / Köln / bis 16.10.

Lena bei OPEL und Anne Kaminsky bei Vera Gliem. Demnach scheint es ja doch ab und an gerecht zuzugehen in dieser ach so verwirrenden Welt. Aber stimmt das wirklich? Natürlich nicht! Unsere Zweifel daran sind nur zu berechtigt, weil durch die schnöde Sachlage hinreichend belegt.
Und gesondert die Aquarell-, Wachs- und Bleistiftzeichnungen von Anne Kaminsky bestätigen uns nachdrücklich in dieser Auffassung. Ein Grund mehr, die Arbeiten der Ausstellung zur Abwechslung mal persönlich zu nehmen.

Erstmals werden die zum Teil älteren Zeichnungen erhellender Weise in der Ausstellung zusammen mit den aktuellen großformatigen vornehmlich abstrahierenden Malereien gezeigt. Mit rasantem Schwung auf Papier begehrt dort ein grimmig und trotzig dreinschauendes, biestig kindliches Etwas auf gegen die Widrigkeiten, Widerfahrnisse und Beleidigungen, eben die Ungerechtigkeiten, die das Leben für jeden von uns so überreich bereithält. Duschen, Zähneputzen, Aufstehen, wieder Duschen, den Dreck werden wir eh nicht mehr los. Selbst die Reihenfolge können wir nicht selbst bestimmen.

Da müssen wir Brian Massumi schon Recht geben, als er konstatierte, ein individuelles Leben sei eine serialisierte, kapitalistische Mini-Krise, ein Desaster, das Deinen Namen trägt. Das wird selbst Lena irgendwann merken. Hat sie vielleicht aber auch schon, denn immerhin gab sie ja bei der Vorauswahl den Song Foundation von Kate Nash durchaus tolerabel zum Besten, worin ausgiebig von den Rissen in unseren vermeintlichen Fundamenten die Rede ist. Es sind nicht zuletzt eben diese Fundamente, Risse incl, die von Anne Kaminsky in ihren Zeichnungen, Aquarellen und Bilder auf ihre Reste an Tragfähigkeit hin befragt und einer Stabilitätskontrolle unterworfen werden.

Auf welchen Fundamenten fußt denn z.B. die Malerei? Gründet sie noch auf festem Terrain oder steht sie nicht vielmehr schon seit geraumer Zeit neben sich, wie unlängst in den einschlägigen Theoriegazetten behauptet wurde? Da ist sicherlich was dran, wie wir gerne bereit sind einzuräumen, stellen gleichzeitig aber auch, etwa im Hinblick auf die Bilder von Anne Kaminsky fest, dass die Malerei in diesem perforierten Diskurs immer noch die besseren Argumente parat hält. Diese Argumente können dabei durchaus aus einer Ursuppe, einem Tümpel vielleicht, hervorgehen und ein ausdauerndes Waten im Matsch bedingen. Aber irgendwo muss der Dreck ja herkommen und irgendwie müssen wir mit ihm fertig werden, ihn zwanghaft regelmäßig abwaschen und fortschwemmen.

In jedem Fall geht es dort flüssig und fließend zu, wie in den Bildern der Neptunistin Anne Kaminsky, ist die Künstlerin doch augenscheinlich mit allen Wassern gewaschen. Ja, scheint nachgerade in diesem feuchten Milieu beheimatet zu sein, wie die großformatige Figur im Wasser im vorderen Raum der Galerie belegt. Nur zu offensichtlich ist hier die Leinwand vom Ich durchtränkt, bildet mithin die nasse Grenze zwischen mir und mir. In einem fließenden, betont körperlich bewegten Prozess wurde mehr oder weniger farbige Flüssigkeit aufgetragen. Zu sehen bekommen wir dann Wasser und Schleier und was sich nicht festlegen lässt. Was zwischen den Menschen zirkuliert, schwimmt sowieso nur zu häufig auf einem Ozean von Unverständlichkeiten, demgegenüber die Kunst geradezu als ein Hort von Plausibilitäten erscheint. Anne Kaminskys Präsentation reihen wir gerne hier ein, richtet sie ihr Augenmerk doch in beide Richtungen, indem sie sich selbst in die Waagschale wirft, selbst auf den Verdacht hin, beim Herantasten an das Unbedingte immer nur wieder auf Bedingtes zu stoßen.

 

Undine geht und schleudert uns eingangs der eindringlichen Erzählung von Ingeborg Bachmann ein zornvolles Ihr Menschen! Ihr Ungeheuer! hinterher. Bei der Betrachtung der Aquarellzeichnungen mit dem grimmigen Mädchen tönen diese Worte unversehens im Ohr. Gelinde gesagt harmlos mutet demgegenüber die Reminiszenz an die belehrend warnende Bilderzählung mit tödlichem Ausgang von Max und Moritz im Titel der Ausstellung an. Doch selbst hier hebt er ja bereits an, der große Verrat, der Schrecken, den die Menschen immerwährend einander zu bereiten im Stande sind. Nur bedingt vermögen demgegenüber die dezenten Bleistiftzeichnungen eines häuslichen Ambientes mit den Auf- und Einsichten in Küche, Bad und Schlafzimmer das Bild eines idyllischen Refugiums zu vermitteln, lauert doch das Unheil auch und gerade an solchen Schauplätzen und verwandeln sich daher durch den präzise registrierenden Blick der Künstlerin in bedroht, bedrohliche Tatorte. Bilder lügen, das haben sie mit uns gemein. (Die abgemilderte Variante hierzu charakterisiert sie auch gerne als deutungsoffen.) Wie die Bilder sind wir Betrüger und Betrogene in eins. Daher wohl musste Undine zurück ins Wasser gehen, in dieses Element, in dem niemand sich ein Nest baut.

Anne Kaminsky

Denn nun geht es nach der Mühle.

4. September – 16. Oktober

Di – Sa: 11 – 18 Uhr

Galerie Vera Gliem

An der Schanz 1a

50735 Köln

www.vera-gliem.de


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