Jeder Tag eine neue Welt

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Adventskalender mit Claus Richter

Oh Adventskalender! Belohnungsmaschinen erster Güte. Wie sehr ich sie liebe! Ist es nicht toll, einen Kalender zu haben, der einem nicht nur das Vergehen der Zeit aufzeigt, nein, der einen parallel dazu für jeden Tag ein bisschen belohnt? Mit einem vorher noch versteckten Bildchen, einem Stückchen köstlicher billiger Schokolade oder gar einem kleine Spielzeug? Ja, es ist toll, es gibt keine Diskussion in diesem Punkt, auf jeden Fall nicht mit mir.

Wie fast alles, was unsere heutigen Weihnachtsriten ausmacht, hat der Adventskalender seinen Ursprung im 19. Jahrhundert. Ab ca. 1900 fand der Adventskalender aus Papier zunehmend stärkere Verbreitung, und ab ca. 1920 gab es dann die ersten Kalender mit den bekannten kleinen Papiertürchen. All das ist also noch nicht so alt.

Adventskalender sind heute beliebte Sammlerobjekte, gerade frühe Beispiele der liebevoll gestalteten Papierkalender erzielen hohe Preise. Doch auch modernere Kalender sind durchaus sammelwürdig. Deutschland und Dänemark übertrumpften sich zwischen 1960 und 1990 mit elaborierten Produkten, dreidimensionalen Szenerien mit beweglichen Figuren, kleinen Meisterwerken der Papierkunst. Kinder tanzten durch die bunten Papierstuben, Santa Claus tätschelte die Rentiere und flötenspielende Elfen rollten theatralisch mit den Augen.

Ich sammele seit knapp einem Jahr verstärkt diese mechanischen Adventskalender und bewege mich damit an der Spitze des Eisberges. Mit jeder gelesenen Fachpublikation und jeder ebay-Suche wird mir deutlicher gewahr, wie variantenreich die Hersteller mit kleinen Pop-Ups, komplizierten Aufstellszenerien und sogar eingebauten Musikwerken aus den beliebten Kalendern kleine Wunderwelten schufen und das teils auch heute noch tun.

Bevor wir einige dieser Kalender anschauen, beginnen wir die Reise mit einem Meisterwerk des legendären tschechischen Pop-Up Künstlers Voitech Kubasta. Öffnet man seine Pop-Up-Mappe aus den späten 50er Jahren, springt ein komplettes archetypisches Weihnachtsszenario daraus hervor, mitsamt verschneitem Haus, Rentieren und allem, was dazugehört. Der Nikolaus auf dem Cover zwinkert dazu lachend mit den Augen und einen Wunschzettel gibt es auch!

Ganz Weihnachten zwischen zwei Pappdeckeln sozusagen. Kubasta gilt als einer der frühen Meister des Pop-Ups und sein Design wurde im Laufe der Jahrzehnte unzählige Male von anderen Herstellern variiert.

Kubasta

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Ähnlich funktioniert dieses amerikanische Set aus den frühen 70ern. Unverkennbar im Stil und den Farben der Zeit singt hier nach dem Öffnen des großformatigen Doppelblattes ein Weihnachtschor besinnliche Lieder vor einem (natürlich) verschneiten Haus. Wie bei Kubasta wurde hier nicht nur das Äußere des Gebäudes, sondern auch sein Inneres gestaltet. Durch die kleinen Fenster kann man die festlich geschmückten Zimmer sehen, in denen hier und da schon Geschenke versteckt sind. Mit nur einer Handbewegung verschwindet das plastische Szenario wieder und wird zu einem unscheinbaren flachen Stückt Pappe, ein Vorgang, der unveränderlich den Reiz von Pop-Ups ausmacht, es ist und bleibt magisch, eine plastische Welt aus einem flachen Stück Papier wachsen zu sehen, in raffinierten Faltungen und ausgeklügelten Mechanismen verschwindet die Welt genau so schnell, wie sie auftauchte. Magic!

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Ein anderes Prinzip, das immer wieder bei den Kalendern zu finden ist, ist die Bewegung von Figuren über kleine versteckte Hebel und Zuglaschen.

Diese musizierenden Figuren zeigen vollen Einsatz:

Flöten-Adventskalender

 

Aus Dänemark stammen viele der Kalender der 60er und 70er Jahre, die mit Bewegung und Pop-Up Mechanismen Kinderaugen weiteten.

Zwei Beispiele der einfacheren Kalender sind diese beiden Exemplare, die mit simplen Mechanismen Leben in die abgebildete Szenerie bringen:

Wippe

Beliebt waren auch Kalender, die mit populären Disney Figuren bevölkert waren, Weihnachten ist ja immerhin auch die Zeit der kommerziellen Magie!

Disney

Doch auch hier wurde liebevoll bis in die Seitenlaschen gestaltet, vom Werkzeug bis zum Goofy stimmt einfach alles:

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Auch die Schlümpfe fanden so ihren Weg in die Weihnachtswelt:

Manche der Kalender erinnern an kleine Papiertheater, die Verwandtschaft ist nicht zu verleugnen. Wollte man jemals ein Museum für historisches Papierspielzeug eröffnen, wäre dieser Kalender nah an den Papierbühnen zu zeigen:

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Auch hier kann man die Figuren mit Hilfe eines Pappschiebers im Setting der Bühne bewegen, doch auch andere Mechanismen fanden ihren Einzug in die Welt der Adventskalender. Dieser schöne Kalender aus den frühen 70ern hat einen Seilzug, mithilfe dessen man den Kindern helfen kann, die Geschenke ins Haus zu befördern!

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Ein besonders schöner Kalender ist dieser Pop-Up Kalender aus den 60er Jahren. Wie ein Bühnenbild klappt eine ganze Burg aus dem Pappumschlag und wird sofort von einer Vielzahl quirliger Weihnachtswichtel bevölkert.

Die plastischen Ebenen des Pop-Ups sind wunderschön gesetzt, vom Turm bis zum Bootsanleger öffnet sich auf nur wenigen Zentimetern so eine ganze Welt, und ist es nicht dieser Zauber, der uns wenigstens ein paar Minuten lang den ein oder anderen grauen Gedanken vergessen lässt?

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Ich hoffe, auch mit diesem kleinen Einblick in einen noch jungen Seitenarm der Sammlung Richter ein bisschen zur Gemütserhellung beizutragen und gehe jetzt schnell die Rentiere füttern.

Merry Christmas

yours truly

Santa Claus Richter

 

Claus Richter ist Künstler und lebt in Köln.


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