Andra Lauffs-Wegner

Andra Lauffs-Wegner


Wir trafen Andra Lauffs-Wegner in ihrem neuen Ausstellungsraum KAT_A – Kunst im Turm in Bad Honnef. Kunstsammler aus NRW – Eine Serie von Patricia Susana Schnurr und Marion Ritter.

In der großzügigen Gartenanlage der historischen Villa „Haus im Turm“ ist die Dynamik moderner Technik abrupt zum Stillstand gekommen. In den Ästen einer alten Kastanie sitzt Michael Sailstorfers Skulptur HB-DAA (2007) fest – ein gelbes Sportflugzeug, umfunktioniert zu einem stabilen Baumhaus. Melancholie angesichts des abgebremsten Flugkörpers wechselt sich ab mit Abenteuerlust und Träumereien, die der schwebende Raum in der Baumkrone weckt. Es sind solche ambivalenten Momente der Transformation alltäglicher Materialien und Situationen, die Andra Lauffs-Wegner in der zeitgenössischen Kunst besonders faszinieren. Derzeit zeigt sie in Rhöndorf, einem Ortsteil ihrer Heimatstadt Bad Honnef am Fuße des Siebengebirges, Installationen und Skulpturen aus ihrer Sammlung.

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Michael Sailstorfer, HB-DAA, 2007

Hier im Park kommen einige Arbeiten endlich angemessen zu Geltung, freut sich die Gesellschafterin der Firma Rabenhorst („Rotbäckchen“) beim Rundgang über das Gelände. „Das Baumhaus von Sailstorfer saß ursprünglich bei uns in einem Keil zwischen Garagendach und Hausdach. Als sich die Ausstellungsmöglichkeit im Park mit seinen traumhaften alten Bäumen ergab, habe ich diesen Ort dafür ausgesucht. Ein Baumhaus muss schließlich in einen Baum,“ meint die 61 Jährige.

Die öffentlich zugängliche Grünfläche kommt auch der Bestimmung der interaktiven Modified Social Benches (2012) von Jeppe Hein entgegen. Es sind fünf kreisförmig angeordnete weiße Bänke, deren Sitzflächen nicht das machen, was man von ihnen gewohnt ist: Mal winden sie sich in Loopings, mal wippen sie, laufen spitz aufeinander zu oder sind so stark erhöht, dass man sie nicht erreicht. Der ideale Ort also, um Kunst zu erleben, ins Gespräch zu kommen und zum Spielen. „Es bringt ja nichts, wenn man die Arbeiten kauft und sie dann nur im Lager liegen oder zu Hause im Wohnzimmer hängen,“ erklärt die Sammlerin energisch ihre Motivation für die Ausstellung. „Es ist einfach unheimlich schön, diese Freude mit anderen zu teilen zu können.“ So lässt sie es sich im Moment auch noch nicht nehmen, ihre Besucher persönlich über das Gelände zu führen, um sich über die Werke auszutauschen.

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Jeppe Hein, Modified Social Benches, 2012

Meditativ wirkt Jeppe Heins 1-Dimensional Mirror Mobile (2009) zwischen den Blättern. Je nach Bewegung konfrontiert der rotierende, zweiseitige Spiegel den Betrachter unvermittelt mit Ausschnitten aus der ihn umgebenden Landschaft und sich selber. So bieten die Reflektionen ungewöhnliche Perspektiven, die die Wahrnehmung von Raum auf die Probe stellen – ein wiederkehrendes Moment in der Sammlung.

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Jeppe Hein, 1-Dimensional Mirror Mobile, 2009

Für solche künstlerischen Orte der Erfahrung bietet auch das Gebäude des ehemaligen Müttergenesungswerks, ein Nachbargrundstück der heute gastronomisch genutzten Jahrhundertwende Villa, eine besondere Atmosphäre. Beim Spaziergang mit dem Hund waren der Sammlerin die Renovierungsarbeiten im über mehrere Jahre ungenutzten Haus aufgefallen. Im Inneren des Gebäudes war der ursprünglicher Charakter weitgehend beibehalten, das gefiel ihr. Vor allem der alte Speisesaal, der wie die übrigen Räume während des Krieges als Lazarett diente, hatte es ihr angetan und mit der Option auf diese Freifläche entstand die Idee zu Präsentationen der Sammlung.

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Jeppe Hein, Modified Social Benches, 2012 (Hintergrund: Villa „Haus im Turm“)

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Jeppe Hein, You are right here right now, 2012

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Michael Sailstorfer, Drum Kit, 2014

Seit November 2014 zeigt sie nun in den unbefristet angemieteten Räumen mit den markanten rohen Wänden ausgewählte Ankäufe der letzten Jahre. Zu sehen sind 21, vornehmlich bildhauerische Arbeiten mit konzeptuellem Ansatz von Künstlern, die größtenteils noch jung, auf dem Kunstmarkt aber bereits etabliert sind. Alicja Kwades 2,15m Tür (Eadem Mutata Resurgo 2, 2013), die, eingerollt wie ein Blatt Papier einen Raum bildet und Michael Sailstorfers großes Schlagzeug (Drum Kit, 2014), auf dem der Drummer auch gleichzeitig Grillen kann, stellten beim Ausstellungsaufbau vergleichsweise kleine Herausforderungen dar. Bei Anna K.E.s fragiler, hängender Skulptur mit Architekturmodellen hingegen mussten Assistenten und Galeristen anreisen und helfen.

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Anna K.E., Somewhere in the West No. 05/16, 2007/2011

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Alicja Kwade, Omega, 2013

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Alicja Kwade, Atropa Belladonna (Restgeld), 2013

Tatiana Trouvés komplexe Installation Untitled, 2014 erfordere eine Wand, die situationsbedingt gebaut werden muss, erklärte der Galerist, als die Arbeit schon gekauft war. So musste aus Platzgründen auch kurzerhand die Kapelle im Haus angemietet werden. Doch damit nicht genug, benötigt die Arbeit, die mit drei, scheinbar flexiblen Matratzen, einer Kupferstange, einem Stuhl und zwei an kleinen Nägeln baumelden Plastiktüten auf den ersten Blick leicht daher kommt, aber tatsächlich 1.700 kg starke Betonskulpturen darstellen, eine statische Unterstützung im darunter liegenden Heizungskeller. Als die „Mordsaktion“ mit Spedition, Kran, Seilzug und Diskussion mit städtischen Beamten überstanden war, schickte die Künstlerin zur Überprüfung noch ihren Assistenten. Den Kontrast zum pragmatischen Geschäftsleben nimmt Andra Lauffs-Wegner mit Humor und viel Geduld: „Er meinte, dass eine Matratze 3cm zu nah an den Plastiktüten wäre. Erst war mir das zu pingelig aber ich muss sagen, es sieht jetzt wirklich besser aus.“

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vorne: Tatiana Trouvé, Untitled, 2014; hinten: Ólafur Elíasson, Duo-colour double polyhedron lamp, 2011

Mit der Kunst zu leben ist für die Diplomkauffrau (Diplomarbeit: Moderne Kunst als Kapitalanlage) nicht neu. Die renommierte Sammlung ihrer Eltern, mit bedeutenden Werken europäischer Künstler der 60er und 70er Jahre, der Pop Art, Arte Povera und des Minimalismus, war über vierzig Jahre im Kaiser-Wilhelm Museum in Krefeld beheimatet, bevor sie 2008 zu großen Teilen verkauft wurde. „Von den 6 Schwestern war ich immer die, die mit dem Vater in die Museen fuhr, ich habe ihn auf Messen oder zur documenta begleitet, und Freitags sind wir oft nach Köln oder Düsseldorf in die Galerien. Bei Schmela, Zwirner, Maenz, auch bei Karsten Greve hat er viel gekauft.“ So überrascht es wohl wenig, dass die erste eigene Arbeit gleich eine Skulptur von George Segal (Sleeping woman, 1970) war, die sie spontan in einer Galerie erwarb. Es folgte eine Grafik von Robert Rauschenberg, auf der ihre Ikonen der Zeit, Martin Luther King, John F. Kennedy, Robert Kennedy, Janis Joplin zu sehen waren. Sie sammelte zunächst weiter intuitiv und unstrukturiert, etwa die Künstler der Mülheimer Freiheit, Dahn und Dokoupil. Beuys hat sie am stärksten beeinflusst, viele Stunden verbrachte sie mit ihm und Willi Bongard, Gründer des Kunstkompasses, in der Lindenstube im Kölner Galeriehaus Lindenstraße und diskutierte über Konzeptkunst und über Kunst als Ware. Heute erscheint ihre Sammlung stringent, mit Arbeiten, die kühl aber auch mit durchdachtem Charme daher kommen.

Andra Lauffs-Wegner

Andra Lauffs-Wegner

Mit Ausstellungs-, Messe- und Biennalebesuchen, Terminen bei ausgewählten Galerien, denen sie vertraut, wie etwa Johann König oder Figge von Rosen und dem Engagement in Kunstvereinen, Freundeskreisen und Gremien ist für die Mutter von zwei Kindern die Kunst nach wie vor ein wichtiger Fokus. Vor allem der dotierte Nachwuchspreis ars viva, den der Kölner Kulturkreis der Deutschen Wirtschaft im BDI jährlich vergibt, liegt ihr am Herzen. Hier ist es ihr nicht nur ein Anliegen, junge Künstler zu unterstützen, sie schätzt auch die Diskussionen innerhalb der Jury und die gemeinsamen Atelierbesuche. Vor allem mit Werken, die den Betrachter „nur“ ästehtisch verführen, hadere sie hier, erzählt sie: „Die 70er Jahre haben mich am stärksten beeinflusst und da hat man ja alles abgelehnt, was irgendwie schön war.“ Heute hinterfragt sie diese Haltung, schaut genauer, ob diese Schönheit auch automatisch gleichbedeutend mit banal ist.

Neben Installationen und Skulpturen ist die Fotografie ein weiterer Sammlungsschwerpunkt von Andra Lauffs-Wegner. Diese Liebe möchte sie im Herbst diesen Jahres in einer neuen Ausstellung im KAT_A mit den Besuchern teilen. Hier werden unter anderem Arbeiten von Candida Höfers Theatre municipal Calais und Deutscher Pavillon Venezia, ein Selbstportrait von Katharina Sieverding, Stan Douglas‘ Exodus, 2012, Thomas Ruffs jüngste Photogramme und eine 6teilige Serie von Annette Kelm, Untitled, 2007, ebenso wie drei Arbeiten von Wolfgang Tillmans zu sehen sein. Andra Lauffs-Wegner fiebert dem Termin schon jetzt entgegen, kann sie dann die Werke, die derzeit bei ihr zu Hause hängen, doch auch endlich „mit viel Luft drum herum“ erleben. Ob dieser Ausstellungsaufbau mit ein paar Nägeln in der Wand getan sein wird, bleibt derzeit jedoch ungewiss. Noch überlegt die Sammlerin, ob auch Videoarbeiten zu sehen sein werden. Auf ein Wiedersehen mit der Schwergewicht Installation von Tatiana Trouvé wird man sich dann wohl auch erneut freuen dürfen.


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