Heimo Zobernig

Heimo Zobernig


Wenn Kunst körperlich wird: Heimo Zobernig lädt die Besucher des österreichischen Pavillons ein, seine klaren Raumproportionen sinnlich zu erleben. In unserem Gespräch erzählt er, warum bei so viel Schönheit selbst die Tiere glücklich sind. Von Caroline Nathusius und Marion Ritter

Durchatmen und zur Ruhe kommen – Im Pavillon kann man sich vor lauter Entspannung fast nicht mehr erinnern, wie es hier aussieht, wenn Heimo Zobernig nicht am Werk war: Dann nämlich durchschreitet man ehrfürchtig das haushohe Portal, um durch ein Spalier aus Rundbögen vom Eingang in die Nebenräume zu treten. Selbst das Licht- und Schattenspiel der hohen Bandfenster und Oberlichte wirkt in dem 1934 nach Plänen von Josef Hoffmann und Robert Kramreiter realisierten Bau monumental.

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Installationsansicht, 2015 Österreichischer Pavillon, Giardini della Biennale, Venedig Foto: Georg Petermichl

Nun ist die gesamte Decke des Gebäudes durch einen dunklen Holzkubus abgehängt, der über dem Betrachter zu schweben scheint und Haupt- und Nebenräume miteinander verbindet.

Ein ebenso dunkler Holzboden ermöglicht nicht nur neuen Bodenkontakt, sondern nivelliert auch die Höhenunterschiede des Gebäudes bis weit in den Hof hinaus. Anstelle der seitlichen Fensterfronten und steinernen Bodenplatten trifft man hier nun unvermittelt in einem Garten mit unterschiedlichsten grünen Bäumen und Sträuchern.

Es sind recht massive Eingriffe, die der Künstler im Pavillon vorgenommen hat und doch wirken sie erstaunlich leicht und leise. Auch die Besucher scheinen unmittelbar auf die neuen Proportionen zu reagieren und bewegen sich hier langsamer und bewusster.

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Installationsansicht, 2015 Österreichischer Pavillon, Giardini della Biennale, Venedig Foto: Georg Petermichl

Spätestens auf einer der vier streng rechteckigen weißen Skulpturen, die als Sitzbänke genutzt werden können, reflektiert man den eigenen Körper im Raum und die Bewegungen und Geräusche der anderen als Teil einer großen Skulpturerfahrung.

Setzen wir uns mit Blick in Richtung Garten? Wir haben uns schon gefragt, ob Du die Vögel eigens einbestellt hast, die hier so zwitschern.

Nein, die kommen ungefragt, aber die sind natürlich auch eingeladen.

Der Pavillon fühlt sich an wie ein Zuhause. Dein Zuhause?

Ja, das ist doch eine schöne Empfindung.

Du kennst den Ort hier wahrscheinlich auch schon so gut, wie ein zweites Zuhause.

Ja, selbstverständlich, und ich habe auch immer wieder beobachtet, wie die Kollegen den Pavillon einrichten, dabei die Schwächen oder das Gelungene gesehen, das war sicher auch in meinem Kopf für meine Entscheidungen.

Dorit Margreiters Arbeit vor 6 Jahren war zum Beispiel relativ unspektakulär. In diesem Jahr wurden ja mehrere Künstlerinnen gezeigt, aber speziell der Kino Raum, den sie gestaltet hat, der hat mir sehr gefallen und ich habe mich darin viel länger aufgehalten als es nötig gewesen wäre, um ihren Film zu sehen.

Ich habe gelesen, dass Du Dich schon seit vielen Jahren bei jeder Biennale Venedig Ausgabe gedanklich mit einer eigenen Arbeit für den Pavillon beschäftigst.

(lacht) Ja, das ist ja mein Gestaltungszwang als Künstler, dass ich überall, wo ich hinkomme die Räume nach meinen Vorstellungen ausmesse und natürlich gilt das auch hier für den Pavillon.

Diese Skulptur ist ja auch als Bank nutzbar und viele Biennale Besucher nutzen sie, um von hier den Raum auf sich wirken zu lassen. In diesem gelösten Zustand kommen die Menschen auch schon mal ins Gespräch. Kann Kunst die Menschen zusammen bringen?

Kunst ist DAS soziale Phänomen. Darüber wird gestritten, sich ausgetauscht, im Guten wie im kontroversen Sinn.

Kunst spaltet die Gesellschaft aber auch, oder?

Das stelle ich mir lieber so vor, dass Kunst die schöne Seite unserer schwierigen Existenz ist. Natürlich wird da sortiert und verglichen, aber man kann es als Spiel betrachten, da ist man dem Ernst der Wirklichkeit gegenübergestellt.

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Installationsansicht, 2015 Österreichischer Pavillon, Giardini della Biennale, Venedig Foto: Georg Petermichl

Wir nehmen ja für unser Projekt Voltaires Satire „Candide oder der Optimismus“ zum Ausgangspunkt. Darin findet der positiv denkende, aber von der Schlechtigkeit der Welt geschundene Held schließlich im eigenen Garten einen Rückzugsort und eine Möglichkeit zur Eigeninitiative. Kannst Du mit diesem Bild etwas anfangen?

Natürlich ist es interessant, dass Garten- und Natur-Betrachtung unmittelbar, ohne dass man darüber nachdenkt, Glücksempfinden auslösen kann. Ich gehe auch so weit zu sagen, dass diese ästhetischen Empfindungen auch den Tieren eigen sind. Das gesteht man ihnen ja gemeinhin nicht zu, aber es gibt so viele Tiere, die, wenn sie nicht gerade hungrig sind, den Eindruck machen, als würden sie den Blick genießen.

Die Kunst ist natürlich auch dazu da, die Grausamkeiten der Welt zu reflektieren, aber man kann ja nicht immer alles auf einmal machen. In diesem Fall hier verstehe ich sie als Einladung, sich auf die eigenen Empfindungen zu konzentrieren. In den Dimension einer Umgebung, die wünschenswert wäre.

Du hast mit dem Überbau den Pavillon erweitert und damit verwischen auch die Grenzen zwischen Innen und Außen. Da stören auch nicht die staubigen Fußabdrücke der Besucher auf dem schwarzen Boden, oder?

Nein, auf keinen Fall, da bin ich auch nicht prätentiös. Es ist ja eben der Boden, auf dem wir uns bewegen – das soll ein öffentlicher Raum sein.

Es gibt keine Fenster und Türen, dadurch ist die vordergründige Trennung zwischen Innen und Außen nicht mehr vorhanden. Eine schöne paradoxe Aufgabe. Die Glasfassaden der gegenüberliegenden Kabinette sind herausgenommen und der Teil des Gartens dazwischen ist überbaut. Ich bin froh, dass das so gut funktioniert – von der Vorstellung im Kopf, oder vom Plan am Papier zur Realität kann man nicht alles vorhersehen.

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Die Proportionen im Blick: Heimo Zobernig (Foto: Albrecht Fuchs)

Deine Arbeitsweise ist ja eine sehr pragmatische aber ich habe diese Aufnahme der österreichischen Fotografin Rita Nowak von Dir gesehen, wo Du eher kontemplativ auf einem Bein balancierst …

Ich verstehe mich ja auch als Bildhauer, Skulpteur und in dieser Tradition ist das Überwinden der Gravitation, der Erdanziehung eine zentrales Thema. So wie zum Beispiel eine Balletttänzerin nur noch an einem Punkt den Boden berührt, so möchte ich meinen Körper erleben.

Danke für das Gespräch!

Dieses Gespräch erscheint im Rahmen von Die beste aller Welten – Eine ex- und diskursive Ausstellungs- und Veranstaltungsreihe zu Kunst und Gesellschaft.

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