Interview Die Neue im NAK

Interview
Die Neue im NAK



Dorothea Jendricke leitet seit April 2010 den Neuen Aachener Kunstverein – NAK. Martin Schmidl sprach mit der 1975 geborenen Thüringerin über Kuratorenprogramme, das Rheinland, die Definition von Publikum und ihre Ausstellungspläne für den Kunstverein.

Martin Schmidl: Wo siehst Du den Beginn Deiner kuratorischen Arbeit?

Dorothea Jendricke: Das war 1999 mit einem Uni-Projekt. Ich habe an der TU und Humboldt-Universität in Berlin studiert und wir waren an der TU eine kleine Gruppe, die sich für Medienkunst interessiert hat, speziell für Netzkunst. Wir haben es damals geschafft, ein kleines Tutorium zu sichern am Kunstgeschichtslehrstuhl.

Der Lehrstuhl wusste überhaupt nicht, was wir da machten und hat uns immer die EDV-Gruppe genannt. Das war eine Gruppe von Kunsthistorikern, Theaterwissenschaftlern und Informatikern. Wir haben Netzkunst als einen frühen Ausdruck gesellschaftlicher Veränderungen verstanden und haben Arbeiten gesammelt und eine Datenbank erstellt.
Wir sind dann als Gruppe aus dem Rahmen der Universität raus gegangen und haben uns in Berlin einen Raum im Zentrum genommen, wo wir auch Ausstellungen produziert haben. Das war so der Anfang meiner Projektarbeit. Und dann bin ich nach New York gegangen und hab’ in New York am Whitney Museum mit Chrissie Iles an der Ausstellung Into the Light gearbeitet, die am 11. September 2001 eröffnet wurde. Gleichzeitig habe ich dort auch in einer kleineren Galerie gearbeitet, die ganz früh in Williamsburg, Brooklyn angefangen hat, von einem Künstler geführt: Pierogi heißt sie. Bei denen habe ich mitgearbeitet und wir haben uns auch ganz eng angefreundet in der Zeit.

MS: Du hast Dir in Eigeninitiative Situationen gesucht, die Dich thematisch interessiert haben und bist also nicht, wie andere Kuratoren Deiner Generation über die Curatorial Studies in das Feld rein gekommen?

DJ: Also ehrlich gesagt, bin ich da fünf Jahre älter als diese Generation. Das habe ich schon auch so beäugt. Ich habe 1995 angefangen zu studieren und habe auch mal eine Pause gemacht und eben immer viel gearbeitet an eigenen Projekten. Es gab den Punkt, wo ich eines dieser Programme noch mal kurz erwägt habe, weil ich gesehen habe, wie das funktioniert bei jüngeren Freunden, aber da wusste ich, dass ich, wenn ich weiter arbeite und auch Geld verdiene, oder einfach eigene Erfahrungen mache, in ein, zwei, Jahren an dem gleichen Punkt bin. Aber das sind natürlich schon Karriere-Booster, diese Programme. In allen großen Programmen kenne ich Freunde, die in diesem Rahmen studiert haben. Jeder hat ein verschiedenes Profile … klar wenn man zu de Appel geht, bekommt man in sieben, acht Monaten, als Gruppe im nu ein internationales Netzwerk an die Hand gelegt. Und diese fünf bis sieben Personen, mit denen man das Programm zusammen macht, die strömen ja dann auch in die Welt hinaus und bleiben einem möglicherweise als Netzwerk erhalten. Das ist schon eine ganz andere Voraussetzung in das professionelle Leben einzutreten.

MS: Ich habe das Statement nicht mehr wörtlich parat, aber Helmut Draxler hat das in einem Vortrag mal zugespitzt so formuliert: Curatorial Studies sind die Pest. Kannst Du damit etwas anfangen?

DJ: (lacht) …

MS: Ich reiße das jetzt aus dem Zusammenhang, aber ich verstehe seine Kritik als Zweifel an einem Super-Pragmatismus. Man kommt nicht aus dem Engagement für eine bestimmte Sache und steigt dann tiefer ein, sondern man kommt von Beginn an über eine Strategielinie zur Kunst. Ich habe ihn so verstanden, dass diese Programme zwar Profis erzeugen, denen dann aber wieder etwas anderes fehlt. Wie siehst Du diesen Aspekt?

DJ: Ich bin nicht völlig dagegen. Aber ich sehe Curatorial Studies schon auch kritisch. Ich kann mich aber auch zu einem Pragmatismus bekennen, wo ich sagen muss, durch diese Netzwerke ist es auch einigen Leuten, die clever sind und etwas zu sagen haben, viel schneller möglich, sichtbar zu werden. Wo es früher noch gedauert hat, bis man Mitte vierzig war oder älter, bis man mal Anerkennung oder eine Plattform fand. Ich sehe das eher so als einen Wissens-Evolutionsprozess, wo Dinge sich ein bisschen beschleunigen, und manchmal ist das eben auch gut. Dann ist es aber auch noch eine persönliche Frage: Für mich ist es immer wichtig, eine Erfahrung auch wirklich zu machen. Es gibt gewisse Dinge, die ich einfach erleben oder durchleben möchte. Und es gibt immer sehr verschiedene Topics, die mich ansprechen und sehr verschiedene Arten des Arbeitens. Ich habe drei Jahre in einer Galerie gearbeitet in Berlin bei Esther Schipper und ich fand das eine ganz wichtige Erfahrung. Dann auch die Zeit im Portikus in Frankfurt oder an der Malmö Konsthall. In der Galeriearbeit ist man ganz nah an der Produktion, viel näher als in vielen Institutionen. Und das war mir sehr wichtig.

 

MS: Du hast gesagt, dass Deine Interessen breit gefächert sind. Kannst Du schon eine Vorschau geben über Themen und Künstler, die hier im NAK zu sehen sein werden?

DJ: Ich habe in diesem Jahr mit einer vom schottischen Kurator und Künstler Will Bradley kuratierten Ausstellung mein Programm aufgenommen. Im regionaleren Fokus der Sommerausstellung habe ich den schwedischen Jan van Eyck-Akademie Stipendiaten Karl Larsson aus Maastricht eingeladen. Und aktuell zeigen wir eine Ausstellung des norwegischen Künstlers Matias Faldbakken, die noch bis zum 14. November zu sehen ist. Die drei Projekte sind im Grunde sehr verschieden, auch wenn alle drei Ausstellungen und speziell Larsson und Faldbakken in ihrem Werk einen starken Bezug zum Schreiben haben. Ein Thema, das sich aber durch alle drei Präsentationen zog, ist die leise Rebellion gegen jüngste gesellschaftliche Entwicklungen.
Generell finde ich es sehr schön, unsere Räume für Einzelausstellungen zu nutzen. Um jüngeren oder vergessenen Positionen Sichtbarkeit zu geben und ein Produktionsbudget für sie bereitzustellen, was durchaus keine Selbstverständlichkeit ist. Wobei unser Budget momentan auch nicht so hervorragend aussieht, dass man extraordinäre Möglichkeiten eröffnen kann. Aber, wie gesagt, ich finde die Räume sind einfach wunderbar für Einzelpräsentationen von Arbeiten, die man vielleicht schon lange nicht mehr gesehen hat, oder die neu sichtbar werden. 2011 wird ein spannendes Jahr mit einigen Projekten, die in Deutschland bislang noch nicht gezeigt wurden. Auftakt im Januar ist ein Ausstellung, organisiert gemeinsam mit Benjamin Thorel von castillo/corrales in Paris, welche die frühen Jahre der (im Februar mit einem Oscar prämierten) amerikanischen Filmemacherin Kathryn Bigelow in der New Yorker Kunstszene der 70er Jahre nachzuvollziehen versucht und dabei sehr interessante Aspekte ihrer frühen Zusammenarbeit mit Lawrence Weiner und dem Kontext von Art & Language zu Tage bringt. Also Momente in der jüngeren Kunstgeschichte, die für das Programm des NAK mit Sicherheit immer einen wichtigen Bezugspunkt dargestellt haben.
Wir zeigen im Anschluss eine Einzelpräsentation mit dem neuseeländischen Künstler Simon Denny, mit dem ich bereits 2008 gearbeitet habe. Und dann bereiten wir Ausstellungen mit den Künstlerteams Goldin&Senneby aus Schweden und Jos De Gruyter & Harald Thys aus Brüssel vor. Im Herbst 2011 wird unsere Institution 25 Jahre alt, was einigen Anlass zur Freude gibt. Dafür ist eine retrospektive Schau in Vorbereitung.

MS: Wie gehst Du damit um, dass einem hier nicht gerade die Türen eingelaufen werden? Es gibt in Aachen ja nicht eine Szene wie in einer größeren Stadt, die an sich schon ein Publikum bildet.

DJ: Generell denke ich, gibt es zwei Ebenen auf denen wir arbeiten: Das laufende Ausstellungsprogramm und die andere Ebene ist das Rahmenprogramm, das offener ist und sich dann auch noch mal differenzieren lässt, da die Planungszeiträume da mehr Flexibilität bieten. Ich glaube, im Ausstellungsprogramm werde ich aus meinem Zusammenhang und kuratorischen Anliegen heraus, das fortführen, wofür der NAK steht… Als Kuratorin spielt für mich die künstlerische Verarbeitung der Postmoderne eine große Rolle. Dass man Einzelpositionen präsentiert, die sich größtenteils daran abarbeiten. Aber im Rahmenprogramm werden teilweise ganz andere Sachen auftauchen, zum Beispiel habe ich auch viel mit Architektur gearbeitet, auch in Ausstellungsprojekten. Das macht in Aachen total Sinn, weil es natürlich eine ganz starke architekturinteressierte Öffentlichkeit gibt. Mir wäre es wichtig, es zu schaffen, dass es einen festeren Bezug zur Hochschule gibt. Mit anderen Worten, ich wünsche mir sehr, einen interessanten Dialog mit dem Publikum vor Ort weiterzuführen. Ich hoffe, dass es uns gelingt, durch verschiedene Programmelemente eine breite Öffentlichkeit anzusprechen. Ich arbeite daher auch mit einer Kunstpädagogin an einem Programm, in dem wir bald beginnen, Kindern schon im Kindergartenalter den Zugang zu eher abstrakten Kunstformen und -installationen zu vermitteln.

 

MS: Du gehst jetzt aus Berlin weg. Wie siehst Du das Rheinland im Verhältnis zu Berlin?

DJ: Ich bin in den 1990er Jahren nach Berlin gegangen und ich war jetzt recht lange dort. Sechzehn Jahre war Berlin zumindest meine Basis. Seit Juli bin ich nun keine Berlinerin mehr und ich habe meinen Hauptwohnsitz nach Aachen verlegt.
Ich glaube, es sind schon sehr unterschiedliche Situationen. Berlin ist und bleibt einfach die größte Stadt, die es in Deutschland gibt. Und ich bin ganz ehrlich, ich mag große Städte und lebe auch gern dort, weil es ein gewisses Angebot gibt, das in kleineren urbanen Situationen nicht möglich ist.
Für mich ist aber auch das Rheinland noch relativ neu, ich habe jedenfalls nie zuvor hier gelebt. Was schön ist, es gibt viel Neues zu entdecken. Und ich finde, dass es eine sehr, sehr interessante Region ist. Die Dichte und Programmierung der kulturellen Institutionen ist enorm und beeindruckend, einzigartig. Spannend ist für mich auch die Nähe zu Belgien und den Niederlanden. Dadurch ergeben sich ganz andere Bezüge und Dialoge.

MS: Es hatte ja auch seinen Höhepunkt in den 1970er/1980er Jahren hier in Köln und Düsseldorf und Mitte der 1990er Jahre hat sich das nach Berlin bewegt. Man erkennt jetzt gerade langsam wieder, was die eigenen Qualitäten sind. Auf der Fläche gibt es nirgends in Europa mehr Ausstellungshäuser und mehr unterschiedliche Kunst-Institutionen, die aber alle irgendwie schräg zueinander stehen. Diese zentralistische Entwicklung nach Berlin hin ist etwas, was für die alte Bundesrepublik untypisch war.

DJ: Das habe ich auch erst in der Zeit in Frankfurt verstanden, weil ich aus Ostdeutschland komme, und da ist Berlin einfach der große Ort und Leipzig ist in gewisser Weise ein anderes Zentrum, aber Leipzig hat nicht das verfehlte Bewusstsein, zu denken, dass es mit Berlin irgendwie Konkurrenz aufnehmen müsste. Klar gab es in Westdeutschland mit Frankfurt, München, Hamburg und Köln große andere Zentren. Und Köln nochmal speziell für die Kunstszene. Als ich in Frankfurt ankam, ist mir ein wahnsinniger Hass gegen Berlin entgegengeschlagen. Davon war ich recht schockiert. Es gibt Leute, die große Städte mögen, es gibt Leute, die große Städte nicht mögen, aber es war wirklich eine große Abneigung, von Leuten aus der professionellen Kunstszene, wo ich dachte: was ist denn das hier für ein Problem? Warum eine so emotionale Reaktion?
Ich bin Mitte der 1990er Jahre eher aus persönlichen Gründen nach Berlin gegangen, schon auch weil mich Kunst und Kultur interessiert hat, aber weil es für mich auch bedeutete, dass ich dort vielleicht besser meine eigene Herkunft rekonstruieren konnte. Denn als ich 14 war, hat sich dieses Land, die DDR, in Nichts aufgelöst, auf der politischen und administrativen Ebene. Ich habe damals Berlin London vorgezogen. Ich fand Berlin für mich wichtig, weil angeblich da beide Länder zusammenwachsen wollten, oder beide Teilgesellschaften, die sich da gebildet haben, in vierzig Jahren. Und ich glaube dieser Hass, kommt aus einer ganz anderen Zeit von Berlin.
Seither hat sich dort viel verändert. Es gibt ganz viele Mikrokulturen und Exilkulturen. Es war eigentlich immer auch ein politischer Spiegel in der Kunstszene seit den 90er Jahren: Erst kamen die Skandinavier, da in Skandinavien immer konservativere Regierungen gewählt wurden, dann, als es mit der Busch-Administration anfing, kamen viele Amerikaner nach Berlin. Dann gab es in Kanada den Regierungswechsel und so gibt es im Grunde genommen lauter Subkulturen, die sich irgendwie auch alle vernetzen. Ich kenne viele Leute, die seit Jahren dort leben und kein Wort deutsch reden, weil sie sich komplett in ihrer eigenen Sphäre aufhalten können. Das kann man sicherlich kritisch sehen, aber gleichzeitig sehe ich das auch als großen Gewinn für die Stadt, dass solche Rückzugsbereiche möglich sind, ohne dass so etwas immer gleich observiert wird. Das ist der Reichtum und die Freiheit, den eine Metropole für Kunst und Kultur bieten kann.
Wie gesagt, im Rheinland bin ich noch recht neu und ich muss noch herausfinden wie man sich hier und heute positioniert. Fakt ist, es macht Spaß hier zu sein. Es gibt phantastische Ausstellungshäuser in direkter Nähe und an vielen Stellen auch einen sehr engen Dialog. Und es ist eben auch der kulturelle Reichtum eines Landes, all diese verschiedenen Orte – Berlin, Köln, Düsseldorf, Aachen – zu vereinen.

MS: Gibt es schon, neben dem professionellen Bereich, Beobachtungen, nach der kurzen Zeit, die Du hier in Aachen bist?

DJ: Was eine neue Erfahrung für mich ist, ist in einer Stadt ohne Fluss zu leben. Das urbane Bild ist dadurch ein ganz anderes. Und auch in so einem eher mittelalterlichen Stadtgebilde zu leben … Ich habe eigentlich einen wahnsinnig guten Orientierungssinn, was den Vorteil hat, dass ich irgendwie immer überall überleben kann und meinen Weg finde und den Nachteil, dass die urbane Wahrnehmung eines Ortes sehr schnell, innerhalb von wenigen Stunden schrumpft, weil ich sofort einen guten Überblick habe. Und oftmals stört mich das eigentlich. Aber in Aachen habe ich mich jetzt schon so oft verfahren und die Orientierung verloren. Das ist ganz schön… Außerdem lese ich die Stadt falsch herum. Ich denke immer, wir sind hier im Süden, aber wir sind eigentlich im Nordosten. Ich finde das lustig und bin mal gespannt, wie schnell sich das verändert.

MS: Wenn ich heute Kunstvereine sehe und wie die agieren, dann müssen die, ähnlich wie Projekträume, ihr Publikum erst mal finden. Das hat auch mit einer Entwicklung hin zu einer Eventisierung in den Städten zu tun, wo es heute täglich viele Veranstaltungen parallel gibt. Diese Events werden von den gleichen Stadtverwaltungen finanziert und zum Teil auch organisiert, die dann ihre Kunstinstitutionen fragen, wieso sie nicht höhere Besucherzahlen haben. Die entscheidende Frage an Kunstvereine ist, wie sie sich in diesem diversifizierten Feld neu definieren?

DJ: Vielleicht macht es einem da ein Ort wie Aachen im Zusammenhang mit Gegenwartskunst allerdings wieder leicht, weil die Dinge hier ja noch relativ klar definiert sind. Hier gibt es das Ludwig Forum und uns, den NAK und ein paar Galerien. Aber im Gegensatz zu Städten wie München oder Frankfurt ist es hier sehr konzentriert und das macht es uns eher einfacher, zu agieren. Und darüber hinaus scheut ein Teil unseres Publikums auch keine Mühe und reist schon mal aus Liège, Maastricht, Köln, Frankfurt, Brüssel oder Rotterdam an.

MS: Aber was die Namen betrifft und Bekanntheitsgrade der Künstler, da muss man erst mal schon sehr viel Erklärungsarbeit liefern. Ob da ein Documenta-Teilnehmer kommt oder ein Gewinner des Goldenen Löwen wie Andreas Fogarasi bedeutet an sich erst mal wenig. Da zählt eher, ob jemand international am Kunstmarkt erfolgreich ist oder ob es ein Star ist.

DJ: Ja, aber meine Position ist schon generell die, dass Kunst Spaß machen soll und erreichbar bleiben soll und gleichzeitig ist es auch eine spezifische Situation. Ein Kunstverein ist natürlich kein primärer Ausbildungsort. Unsere administrativen Kapazitäten reichen auch nicht für ein vertiefendes kunstpädagogisches Programm, oder so. Aber wir können versuchen, im Rahmenprogramm Dinge anzubieten oder ganz gezielt Kollaborationen zu bilden, schauen, dass man dort mehr noch ein Publikum anspricht, das vielleicht normalerweise nicht zu uns findet. Ich war kürzlich auf einem Symposion in Brüssel, das hieß Institutional Attitude. Dieter Roelstraete, Kurator am MUHKA in Antwerpen sagte da, dass er ja in Antwerpen in einer Situation ist, wo die Hälfte seines Publikums die Ausstellung gar nicht sieht. Wo also ein Teil des Publikums die Website sieht und die Artikel liest und der andere Teil vor Ort ist und tatsächlich die Ausstellung im Raum erfährt. Die Frage bleibt also, wie definiert sich der Begriff des Publikums. Doch letztlich sind für uns ein starker und wichtiger Bezugspunkt unsere Mitglieder.
Unser Projekt zu Kathryn Bigelow ist für mich da auch eine Erweiterung des Programms. Für uns ist sie interessant im Kontext der Kunstpositionen der 70er Jahre und wichtigen Kunstpublikationen, die aus dieser Zeit bis heute ihren Einfluss gefunden haben. Aber die Ausstellung wird eben auch für cineastisch Begeisterte Einblicke bieten, die sie sonst nirgendwo finden können.

MS: Architektonisch gesehen ist der NAK ja ein relativ neues Haus. Was würdest du da noch verändern wollen?

DJ: Kleine Dinge habe ich schon verändert und daran werde ich sicher auch noch ein wenig weiter arbeiten. Aber die Räume sind ja ein sozusagen „historisierter“ White Cube. Es gibt die barocke Fensterfront, die dem Ort einen ganz speziellen Charakter gibt. Ansonsten ist es ja eine super minimalistische Architektur. Es gibt gewisse Dinge, die darin definitiv nicht möglich sind, auf Grund von Größe, aber ansonsten sind die Räume relativ einfach zu bespielen und wunderschön, würde ich behaupten. Vielleicht neu in unserer Planung ist, ein Nebenprogramm in der Glasarchitektur des Eingangsbereichs zu etablieren, wo wir uns freuen, kleine oder jüngere Arbeiten zu präsentieren.

Dorothea Jendricke wurde 1975 geboren und hat in New York, Frankfurt, Malmö und längere Zeit in Berlin gelebt. Ihre professionellen Erfahrungen haben 2001 in New York am Whitney Museum begonnen. In Berlin war sie mehr als 2 Jahre für die Galerie Esther Schipper tätig und hat das unabhängige Projekt Center kuratiert. 2008-2009 war sie Assistentin am Portikus in Frankfurt. Im Frühjahr 2010 kuratierte sie die Ausstellung „Throwing Three Balls In The Air To Get A Straight Line“ in der Malmö Konsthall mit Arbeiten von John Baldessari, Simon Denny, Mario Garcia Torres, Thomas Kratz, Falke Pisano und Ryan Siegan-Smith, sowie als Co-Kuratorin (gemeinsam mit Renske Janssen) das Performance Programm “Let Us Compare Mythologies” im Rahmen von “Morality” am Witte de With Center for Contemporary Art in Rotterdam, wo Beiträge von Danai Anesiadou, Keren Cytter & Andrew Kerton, Oskar Dawicki, Simon Denny, Lili Reynaud-Dewar, D.O.R, Gergely Laszlo, Mark Leckey, Nishiko, Patrizio Di Massimo, Tris Vonna-Michell und Rory Pilgrim zu sehen waren. Seit April 2010 leitet sie den Neuen Aachener Kunstverein – NAK.


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