Besprechung (Un) möglich!

Besprechung
(Un) möglich!


Arne Reimann über „Un(möglich)! Künstler als Architekten“ im MARTa Herford, bis 31. Mai 2015

Kürzlich hat er es wieder getan: Frank Gehry hat ein Museum entworfen. Die geschwungene Glas-Stahl-Holz Konstruktion wurde am Stadtrand von Paris für die Fondation Louis Vuitton errichtet. Ein Eisberg, inmitten des grünen Bois de Boulogne, der in den Medien meistens von Außen dargestellt wird. Das Innere, der Inhalt, scheint keine besondere Rolle zu spielen.

Verdrückte Kuben, windschiefe und verdrehte Baukörper aus Backsteinen und Edelstahl sind die Kennzeichen des MARTa – ebenfalls von Frank Gehry erbaut. Es liegt inmitten einer Wohngegend im ostwestfälischen Herford. Mit „(un)möglich!“ thematisiert hier derzeit eine Ausstellung das Verhältnis von künstlerischer Arbeit, Inszenierung und Baukunst. Keine ganz neue Idee aber das Konzept der Kuratoren Anne Schloen und Michael Kröger findet im dekonstruktivistischen Bauwerk seinen Widerhall. Wo beginnt das Berufsbild des Architekten, wenn Künstler mit Architekturtraditionen und Utopien experimentieren? Wie arbeiten Künstler mit der gegebenen Formensprache der Architektur? Die Ausstellung in Herford ist breit aufgestellt, nicht nur in ihren Fragestellungen, sondern auch ihren historischen Referenzen zu zeitgenössischen Werken aller Medien.

Blick in die Ausstellung „(un)möglich! Künstler als Architekten“: Mit Werken von Johannes Wohnseifer (Inflatable White Cube, 2005), Stephen Craig (Pink Galaxy, 2015) und Christine Rusche (ABERRATION, Raum-Zeichnung, 2015), v.l.n.r. © Marta Herford, Foto: Hans Schröder

Blick in die Ausstellung „(un)möglich! Künstler als Architekten“: Mit Werken von Johannes Wohnseifer (Inflatable White Cube, 2005), Stephen Craig (Pink Galaxy, 2015) und Christine Rusche (ABERRATION, Raum-Zeichnung, 2015), v.l.n.r.
© Marta Herford, Foto: Hans Schröder

Es sind die Arbeiten, die vor Ort und im direkten Bezug zum MARTa entstanden sind, die der Ausstellung die Rückversicherung der Diskursivität geben. Heike Mutter und Ulrich Genth haben sich etwa der lokal ansässigen Möbel- und Küchenindustrie angenommen. Mit ihrer Installation aus Küchenfronten und Arbeitsplatten montiert auf ein poliertes Edelstahlgerüst verweisen sie auf die Küche als Displaysystem und Ort der Repräsentation.

Ein 8 Meter in die Höhe des Ausstellungsraumes ragender Styroporberg des Koreaners Dai Goang Chen ist innen hohl und beherbergt darin einen See aus schwarzer Tusche, in dem sich der sogenannte Dom und die Dachkonstruktion des Gebäudes spiegeln, um dadurch die Installation in der Architektur zu verankern.

Dai Goang Chen "Dangsam Namu", 2015 © Marta Herford, Foto: Hans Schröder

Dai Goang Chen „Dangsam Namu“, 2015 © Marta Herford, Foto: Hans Schröder

Auch die monumentale Wandarbeit von Christine Rusche verspannt sich mit der Gehry-Architektur. Die horizontal gelagerte Arbeit eröffnet scheinbar den Blick in eine städtische Landschaft, zieht den Blick in die Wand, auf imaginäre Strukturen. Die Wandmalerei verändert das Raumgefühl, denn die Architektur wird an den Rändern sichtbar, die gebeulten und nicht lotrechten Ecken bekommen eine skulpturale Bedeutung und der Blick schweift nach oben in die verknautschten Oberlichter.

Die Entgegensetzung von gegebener und vorgestellter Architektur, Fläche und Volumen wird durch die Klebeband-Zeichnung von Caroline Bayer im angrenzenden Kabinett fortgeführt. Sie setzt der bauchigen Form der Wände stilisierte Architekturelemente entgegen. Die in die Fläche gedrückten, auf Eck gestellten Andeutungen von architektonischen Formen schaffen die Illusion von einer realen, stereometrischen Räumlichkeit, mit direktem Bezug auf die „Neue Mitte“.

Wenzel Hablik Ausstellungsgebäude, 1919, Wenzel Hablik Museum, Itzehoe © Wenzel-Hablik-Stiftung, Itzehoe

Wenzel Hablik Ausstellungsgebäude, 1919, Wenzel Hablik Museum, Itzehoe © Wenzel-Hablik-Stiftung, Itzehoe

Die ortsspezifischen Werke werden durch Modelle, Zeichnungen, Videodokumentationen und Architektur-Fotografien ergänzt. Solche Referenzziehungen zeigen sich besonders in der Installation von Isa Melsheimer, mit der sie an die Architekten von „Die Gläserne Kette“ erinnert, die von beeindruckenden architektonischen Zeichnungen von Wenzel Hablik und Hermann Finsterlin etwa aus den 1920er begleitet werden.

Blick in die Ausstellung „(un)möglich! Künstler als Architekten“: Isa Melsheimer, Land aus Glas, 2009/15 (verschiedene Glasobjekte und Skulpturen), im Hintergrund: Zeichnungen von Wenzel Hablik © Marta Herford, Foto: Hans Schröder

Blick in die Ausstellung „(un)möglich! Künstler als Architekten“: Isa Melsheimer, Land aus Glas, 2009/15 (verschiedene Glasobjekte und Skulpturen), im Hintergrund: Zeichnungen von Wenzel Hablik © Marta Herford, Foto: Hans Schröder

Spaß machen die gesammelten und auf einem rosa Tisch in Form der Gehry-Grundrisse präsentierten Kassenhäuschen im Miniaturformat von Stephen Craig. Die fantastischen Architekturen verbinden Form und Funktion, wie beispielsweise das Haus in Form eines Müllcontainers oder der Kassenkiste – gleich neben dem Modell eines Vorstadthauses von Dan Graham aus den 1970er Jahren.

Entwürfe, als Zeichnung und Modell von Erwin Heerich in Kombination mit dem Modell der „Skulpturenhalle“ von Thomas Schütte setzen einen Akzent auf die Museumsinsel Hombroich und die Raketenstation, als gebaute, skulptural künstlerische Visionen.

Die Ausstellung fragt nicht nur, wie zeitgenössische Künstler mit Architektur umgehen, sondern sucht die konkrete Herausforderung: Wie gehen sie mit dem Gehry um? Neben utopischen und referenziellen Systemen, die um die zeitgenössischen Positionen gestrickt wurden, sind es im besonderen die skulpturalen Qualitäten, die die Künstler dem Museumsbau abtrotzen. In unterschiedlichen Ansätzen hinterfragen sie den Museumsraum, nicht als White Cube, sondern als ortsspezifische architektonische Skulptur und erweitern damit den Diskurs über Künstler als Architekten um die dinglich-körperliche Dimension.

Das MARTa feiert am 7. Mai sein 10-jähriges Bestehen mit einer Hommage an den 2014 verstorbenen Gründungsdirektor Jan Hoet. Die Erfolgsgeschichte der Vermittlung zeitgenössischer Kunst im Einklang mit der Architektur war der deutschen Sektion des Internationalen Kunstkritikerverbandes (AICA) die Kührung zum Museum des Jahres 2014 wert. So steckt also auch ein bisschen Bilbao-Effekt in Herford, wenngleich sich der Neubau zunächst der heftigen Kritik der Bevölkerung stellen musste. Michael Pohl legt mit seinem Projekt „Neues Museum Herford“ den Finger in die historische Wunde. Ein Bauschild in der Lücke der Bebauung gegenüber des Museums zusammen mit dem in einem Ladenlokal in der Fußgängerzone präsentierten Modell des Museums, fordert er die Erinnerung an die Anfänge des Marta heraus, als Fiktion der Erweiterung des Museums. Das Gebäude ist schicker Schein – aber drinnen ging und geht es immer noch um die diskursive Vermittlung von Inhalt.

Arne Reimann ist Kurator und freier Autor, er lebt in Düsseldorf.


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