Rundgänge

Rundgänge


Jonas Schenk war in Düsseldorf, Münster und Frankfurt a. M. bei den alljährlichen Präsentationen der Kunstakademien 

Mir scheint Malerei am besten geeignet, um über die Rundgänge der Kunstakademien/-hochschulen Düsseldorf | Münster | Frankfurt vergleichend zu sprechen. Man könnte auch jedes andere Medium nehmen, oder sich erst gar nicht erst auf eines beschränken. Allerdings zeigt sich hier besonders deutlich, dass es eklatante Unterschiede gibt, die offen legen, welchen künstlerischen Anspruch die Akademien an sich selbst und damit auch an ihre Studierenden haben.

Gerne erinnert man sich mit einem lachenden/traurigen/wiehendern Auge an das Revival der PS-starken Pferdemalerei des Düsseldorfer Rundgangs 2014. Wer jetzt aber meint, dass einige der Studierenden einen Hang zum Repititiven hätten, der hat zwar Recht, muss aber gleichzeitig enttäuschend feststellen, dass dem Pferdetrend sein vielleicht vorzeitiges Ende bevorsteht (es gab nur 4 Pferde). Natürlich ist es ein in Technik und Esprit antiquiert wirkendes Ölgemälde mit der Inschrift „Can’t get enough“, welches erneut den Geist der alten Rösser heraufbeschwört. Zu Bestaunen waren ebenfalls einige vorzügliche Katzenbilder, die dieses Jahr im Dachgeschoss hingen. Vielleicht, um davon abzulenken, dass genau diese Bilder schon beim letzten Rundgang eine Etage tiefer gezeigt wurden (auch die Blumenbilder dieser Malerin waren letztes Jahr schon zu bewundern). Beim Durchlaufen der Düsseldorfer Akademie scheint es, dass die Malerei einer gründlichen Entkernung ihrer selbst bedürfe.

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Düsseldorfer Reiterschule

Was ist das Problem der Düsseldorfer Malerei? Zum einen sind da die hoffnungslos überlaufenen Klassen, z.B. von Havekost, Schulze, Brandl oder Anzinger. Schon beim Betreten besagter Klassen möchte man meist nicht nur wegen der mehr als üppigen Präsentation (jeder Meter Wand muss genutzt werden) sofort auf der Ferse wieder kehrt machen. Manch unerfahrener Besucher dürfte in diesen Klassen schnell einer visueller Überreizung erliegen. Ich frage mich, warum die Malereiklassen jedes mal in die Rolle des enfant-terrible des Ausstellens schlüpfen und die Räume mit ihren Arbeiten volltapezieren müssen? Dass darunter im Grunde der Wert des einzelnen Bildes leidet, sollte offensichtlich sein. Doch was den Klassen an Gefühl für das Wie des Präsentierens fehlt, machen viele durch das, was präsentiert wird nicht wett. Viel Bad-Painting-Attitüde, oder surrealistisch-figürliche Malerei (Achtung: extrem verkürzte Darstellung des Sachverhaltes). Man möchte Fleißsternchen für den Preis der upcoming ArtFair Stars verteilen.

Bezüglich Repitition; oder eher Nachmachen: Havekost erteilte seinen Schülern zum Rundgang die sinnfreie Aufgabe, ihre Idole nachzumalen. So konnte man Kopien von Richter, Klapheck oder Penck bestaunen. Schön auch das Bild im Lichtenstein Stil, in dem die Trauernde ihre Liebe zu Havekost gesteht. Hier fährt der Lehrer seine Jünger in einem Partybus gegen die Wand, an dessen Ende der Bestatter freudig winkt und sich die Hände ob der baldigen Arbeit reibt. Malerei wird hier zu einem Nullpunkt gebracht, da sie durch diese Geste auf ein reines Handwerk reduziert wird.
Derjenige, der als erster den Finger erhebt und mit Appropriation und Demaskierung des Künstlergenies argumentiert, der solle doch einen Ausstellungskatalog schreiben. Oder man macht es wie Felix Ringel und lädt die gesamte Klasse in die eigenen Galerieräume ein, wo dann die ´richtigen´ Arbeiten der Havekost Klasse hängen.

Auch vielen angehenden Malern in Münster möchte man zu wispern, dass sie beizeiten mehr denken als malen sollten. Weniger wäre hier leider mehr. Wieso hat insbesondere Malerei etwas mit Menge zu tun? Highlight in Münster jedenfalls waren die für die Jury des NRW Stipendiats vorgeschlagenen Künstler. Wenn unten gezeigtes Beispiel den Stand der Kunst in NRW repräsentieren sollte, wäre ich nicht abgeneigt, ins Saarland überzusiedeln. Nebenbei ist interessant, dass Malerei (gerade in reinen Malerei-Klassen) meist ausschließlich Flachware produziert. Malerei = Öl + Leinwand + Wand.

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Münster: Die Kunst muss hängen!

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Münster: Vorgeschlagen für das NRW-Stipendium

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Münster: Vorgeschlagen für das NRW-Stipendium

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Münster: Etwas Erfreuliches

In Frankfurt zeigt sich schließlich ein ganz anderer Grad der Professionalisierung, was schon bei sauber erkennbaren Raumplänen anfängt. (Ja ich rede mit dir, Münster / Düsseldorf, mit den handgemalten Zetteln, auf links gedreht und spiegelverkehrt geschrieben). Die Hängung der Räume war klar strukturiert und reduziert gehalten. Ein Großteil der Arbeiten versteht sich als Collage oder in sich geschlossene Installation, bei denen vieles miteinander gemischt und ausprobiert wird. Die Räume wirken dabei so clean, man würde meinen, durch eine´richtige´ Ausstellung zu laufen. Ob das gut oder schlecht ist, oder ob es zu ´sleek´ (Fachjargon) ist, sei dahin gestellt. Es ist in jedem Falle eine Wohltat für den Betrachter. Schließlich liegt Sinn und Zweck des Rundgang unter anderem im Austausch mit der Öffentlichkeit. Also warum die Dinge nicht präsentieren, wie sie dem Besucher entgegen kommt? Der unbefangene Flaneur, wie auch der zukünftige Galerist dürften gleichermaßen die Ausstellungspraxis in Frankfurt als dankbar empfinden. Mancherorts wird der Vorwurf laut, Abgänger der Städelschule würden fast automatisch in gut situierten Galerien landen. Zu professionell, zu cool, zu slim zu, zu, zu. Zweifellos könnten zahlreiche Arbeiten schon jetzt in riesigen Galerieräumen hängen.

Städel

Frankfurt: Vaginale Panikmache

Im Vergleich mit Düsseldorf / Münster lassen sich Gründe erkennen, warum dem eventuell auch zurecht so sein könnte. Was in Düsseldorf beispielsweise die Gursky-Klasse repräsentiert, freie bildende Kunst, ist in Frankfurt an der Tagesordnung. Gattungsspezifische Klassen (Malerei / Bildhauerei) bringen häufig Studierende hervor, die sehr medienreflexiv arbeiten. So neigt das künstlerische Denken sich allein um Form / Farbe / Material zu kreisen. Gut und schön, lässt aber manchmal den künstlerischen Weitblick vermissen (Kunst als Gradmesser der Gesellschaft / etc.).
Die Auffassung davon, was Kunst sein kann und wie und was präsentiert wird, scheint in Frankfurt sehr viel weiter und damit reifer gefasst zu sein. Der Dialog einer gemischten Klasse dürfte dabei für jeden fruchtbar sein (Gursky und McBride beweisen es in Düsseldorf). Die Malaufgabe der Havekost-Klasse schießt sich dabei nur ins eigene Bein.

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 Düsseldorf: Abschlusspräsentation

Es fällt auf, dass eine gewisse Trash-Ästhetik kaum in Frankfurt vorkommt, jedoch in Münster / Düsseldorf umso häufiger. Wenn man etwas über die Ausstrahlung der Akademien sagen würde, die sich innerhalb eines Tages herauskristallisiert, so kann deutlich die Städelschule als die Akademie genannt werden, an der das Kunststudium mit der größten Ernsthaftigkeit betrieben wird. Objekte, die man im abendlichen Töpfer- oder Malkurs finden würde, werden in Frankfurt nahezu vergeblich gesucht. Einem Großteil der Studierenden möchte man auch hier raten, sich vielleicht mit etwas anderem zu beschäftigen; nicht aus Zynismus, sondern, um sie auf den Boden der Realität zu holen. Der ist häufig hart. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es bestimmte Arten der Malerei gibt, mit denen man sich erfolglos bei Galerien bewirbt. Zuhauf begegnen einem diese Bilder immer und immer wieder. Gerade da müssten die Professoren sich vielleicht engagierter zeigen, den ein oder anderen Schützling darauf hinzuweisen, dass er oder sie sich in eine Einbahnstraße malt.

Jonas Schenk lebt in Köln und studiert Kunstgeschichte an der Uni Bonn. Schwerpunkte des Studiums bilden Fragen bezüglich des Wesens des Museums sowie des Verhältnises von Kunst und Kunstmarkt.


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