Achtung Anschnallen

Achtung Anschnallen


Die Sammlung Florian Peters-Messer in Viersen. Kunstsammler aus NRW – Eine Serie von Patricia Susana Schnurr und Marion Ritter

Ob aus gelegentlichen Spontankäufen heraus oder von Anfang an strategisch – wer privat Kunst sammelt, seine Schätze sucht, organisiert, präsentiert und pflegt, erzählt nicht nur leidenschaftlich über seine Mission, sondern hat auch einen eigenen Blick auf die Kunst. Der Unternehmer Florian Peters-Messer ist hier keine Ausnahme. Er empfängt uns in seiner modern eingerichteten Wohnung in der Viersener Innenstadt, lässt uns kurz auf die sorgsam gehängte Malerei und Fotografie an den Wänden spinksen und legt gleich los. Für Kunst interessiere er sich schon seit der Schulzeit, erzählt der 47 jährige Unternehmer lebhaft, er sei von seiner Kunstlehrerin früh auf die documenta gebracht worden, empfindet heute die Kunst als „musischen und intellektuellen Ausgleich“ zu den vergleichsweise handfesteren Tätigkeiten, mit denen er es als Geschäftsführer eines traditionsreichen Glasunternehmens zu tun hat.

Vieles aus seiner Sammlung entspricht vor allem seinem persönlichen Geschmack, das lässt sich auch auf der Website lesen: Architekturale Strukturen von Manfred Pernice, Florian Slotawa, Felix Schramm, Sabine Hornig oder Florian Baudrexel und Werke, die sich durch einen hohen ästhetischen Wert auszeichnen, wie die Bilder und Zeichnungen von Hiroshi Sugito und Martin Assig oder die Skulpturen von Stephan Balkenhol. Und dann gibt es Arbeiten, mit denen er lieber nicht zusammen leben möchte. Solche aus der „psychedelisch-traumatischen Kategorie“ und die Arbeiten, die er politisch wichtig findet, wie die Zeichnungen von Raymond Pettibon und die großen Installationen von Thomas Hirschhorn oder Erik van Lieshout. In der Videoarbeit „Rotterdam-Rostock“ etwa fährt van Lieshout mit dem Fahrrad quer durch Deutschland. Eine Kamera dokumentiert ebenso seine Gespräche mit Bürgern, die ihm offen ihre Sympathie für die Nazis bekunden, wie die slapstickartigen Anekdoten, die der Künstler aus seinem Leben erzählt. Dass das Politische immer auch das Persönliche ist und umgekehrt, behauptet Peters-Messer ebenso wie van Lieshout. „Es sind Arbeiten, die wichtig für Deutschland sind, weil es politische Statements sind“, betont er. „Daher gehören sie auch langfristig nicht in mein Lager, sondern in den öffentlichen Raum.“ Arbeiten kaufen, um sie und ihre Brisanz für die Gesellschaft zu sichern – bei Peters-Messer keine Anwandlung von Größenwahn, sondern die intensive Auseinandersetzung mit der Kunst: „Wenn es nur darum ginge, sich mit schönen Sachen zu umgeben, würde ich mich mit Altmeistern umgeben, weil die in den meisten Fällen auch formal besser sind, aber sobald man sich fragt, was Kunst bewirken kann, gelangt man ganz schnell zu gesellschaftlichen Aspekten, auf die hingewiesen werden sollte.“ Vor allem mit Hirschhorn schätzt er auch das persönliche Gespräch und dessen Bezüge zur Philosophie und Kunstgeschichte. „Wenn der was erklärt, muss man sich anschnallen“, schwärmt er.

 

 

 

 

 

 

 

In der kürzlich zu Ende gegangenen Ausstellung „Insight Outside II“ zeigte er denn auch bereits zum zweiten Mal einen Teil seiner rund 300 Arbeiten umfassenden Sammlung in der Städtischen Galerie Viersen. In diesem Jahr waren es auch die lauten und sozialkritischen Arbeiten, die die Besucher zu sehen bekamen, darunter die morbide Vitrine „Art Center 3 (Blow Down)“ (2001) von Hirschhorn, die aufwändige Videoinstallation „Rotterdam Rostock“ (2003) von van Lieshout oder die lebensnahe Warteschlange ärmlich gekleideter Figuren („Reihe“, 2006) von Iris Kettner. Zugegeben, ist es in den büroartigen Räumen manches Mal ein schwieriges Unterfangen, solche Arbeiten für sich sprechen zu lassen, wie sich beim Besuch der Schau zeigt. Doch seiner Stadt und ihrem Engagement gegenüber seiner Sammlung fühlt sich Peters-Messer verbunden und hat mittlerweile seinen Berliner Wohnsitz ganz mit dem am Niederrhein eingetauscht. „Es braucht nicht noch einen Showroom in Berlin“, meint er. An Städte mittlerer Größe, die vielleicht nicht den Etat für den Kunstkauf haben, denkt er auch, wenn es darum geht, seine Sammlung dauerhaft in die öffentliche Hand zu geben. Für ein eigenes Museum sei er schließlich nicht eitel genug.

Vor allem auf seinen „Spieltrieb“ verlässt sich der smarte Geschäftsmann beim Sammeln, aber auch auf seine Kompromisslosigkeit in Sachen Qualität und Einmaligkeit („Daniel Richter ist der schlechtere Peter Doig.“). Einmal überzeugt von einer Arbeit, beginnt er die Jagd. Eine Arbeit von Hirschhorn habe er vor ein paar Jahren dem Centre Pompidou weggeschnappt, erzählt er lachend, eine andere hat er nach langen Verhandlungen dem Amerikanischen Sammlerehepaar Rubell abgekauft. Gelegentlich trennt er sich auch mal wieder von seinen Anschaffungen, wenn er nicht mehr hinter ihnen steht; mit Investition hat der Kunstkauf für ihn aber eher wenig zu tun. Stattdessen sucht er sich kompetente inhaltliche Beratung von Fachleuten, die Katalog- und Websitetexte verfassen und seine Ausstellungen kuratieren. Ganz klar: Peters-Messer meint es ernst mit dem Sammeln und weiß, worauf es ankommt, wenn er sich von der (Kunst)Öffentlichkeit über die Schulter schauen lässt. Seine ambitionierte Sammlung sollte man im Auge behalten!


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